Das Frankfurter Geldhaus, das einmal zu den grössten Banken der Welt gehörte, soll wieder nachhaltig profitabel werden. Doch das klassische Bankgeschäft mit Privat- und Firmenkunden läuft schleppend und das Investmentbanking birgt Risiken. Immer wieder hat die Bank in ihrer Geschichte die richtige Balance gesucht zwischen Privatkundengeschäft und Investmentbanking. Es folgt ein Überblick über die wichtigsten Weichenstellungen - und welche davon wieder rückgängig gemacht wurden:

Die Anfänge: 1870 bis 1886

Gründung der Deutschen Bank in Berlin durch den Privatbankier Adelbert Delbrück und den Politiker Ludwig Bamberger. Erster Vorstandssprecher ist Georg von Siemens. Im Gründungsstatut wird die Bedeutung des Auslandsgeschäfts unterstrichen: "Der Zweck der Gesellschaft ist der Betrieb von Bankgeschäften aller Art, insbesondere Förderung und Erleichterung der Handelsbeziehungen zwischen Deutschland, den übrigen europäischen Ländern und überseeischen Märkten."

Weiteres Standbein ist von Beginn an das Einlagengeschäft. Bis 1873 eröffnet die Bank Filialen in Bremen, Hamburg, Yokohama, Schanghai und London. London ist schon damals die wichtigste Auslandsniederlassung. Die Filiale in Frankfurt am Main, heute der Hauptsitz, öffnet erst 1886.

Erste Konsolidierung: 1929 BIS 1932

Die Deutsche Bank schliesst sich 1929 mit der Konkurrentin Disconto-Gesellschaft zusammen. Acht Jahre lang firmiert das fusionierte Geldhaus unter dem Doppelnamen Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft, danach wieder unter Deutsche Bank.

Wiederaufbau und Neuorientierung: 1947 BIS 1957

Nach Kriegsende wird die Deutsche Bank in den westlichen Besatzungszonen in zehn Regionalinstitute aufgespalten. Erst nach Gründung der Bundesrepublik werden die Einzelteile wieder zusammengesetzt. 1957 entsteht die Deutsche Bank AG mit Sitz in Frankfurt.

Expansion und Internationalisierung: 1959 BIS 1999

Einstieg ins Privatkundengeschäft auf breiter Basis mit der Einführung von Kleinkrediten. Es entstehen die ersten Filialen im europäischen Ausland (Italien, Spanien).

1979 beginnt mit der Eröffnung einer Filiale in New York die Präsenz der Deutschen Bank in den USA unter eigenem Namen.

1989 markiert die Übernahme der britischen Investmentbank Morgan Grenfell den Startschuss der Expansion im internationalen Kapitalmarktgeschäft.

1999 schluckt die Deutsche Bank die New Yorker Investmentbank Bankers Trust. Das soll die Tür für einen breiteren Einstieg in den US-Markt öffnen.

Auf dem Heimatmarkt wird das Geschäft mit Privatkunden in die "Deutsche Bank 24" (DB 24) ausgegliedert. Sie geht mit 17.500 Mitarbeitern, 6,8 Millionen Kunden und einer Bilanzsumme von 43 Milliarden Euro an den Start und soll das Filialgeschäft mit dem Online-Banking verzahnen. Die Deutsche Bank liebäugelt damit, die Gesellschaft ganz oder teilweise über die Börse zu verkaufen. Die Deutsche Bank selbst will sich auf das gehobene Privatkundengeschäft und die Vermögensverwaltung sowie das Firmenkundengeschäft und Investmentbanking fokussieren.

In die Welt - und wieder zurück: Jahrtausendwende bis heute

2000: Der Plan, mit der Dresdner Bank zu fusionieren, um die Kräfte im Investmentbanking zu bündeln, scheitert wegen Meinungsverschiedenheiten über die künftige Machtaufteilung.

2002: Die DB 24 wird beerdigt. Viele fühlten sich als Kunden zweiter Klasse aussortiert. Die Bank hat das Einlagengeschäft als wichtige Refinanzierungsquelle wieder entdeckt und will ihm eine prominente Rolle geben. Im Herbst geht die Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG an den Start, darin geht die DB 24 auf. Parallel dazu läuft der Ausbau der Vermögensverwaltung.

2006: Das Privatkundengeschäft wird durch die Übernahme der Berliner Bank und der Norisbank gestärkt.

2007: Start des Privatkundengeschäfts der Deutschen Bank in China. Der Anteil an der chinesischen Hua Xia Bank wird nach und nach auf knapp 20 Prozent erhöht.

2010: Übernahme der Postbank und der kriselnden Privatbank Sal. Oppenheim. Die Postbank wird auf das Massengeschäft mit Kleinsparern und kleineren Firmen ausgerichtet und soll technisch in das Privatkundengeschäft der Deutschen Bank integriert werden. Das Kölner Institut Sal. Oppenheim wird Teil der Vermögensverwaltung und verfolgt kurz darauf einen radikalen Sanierungs- und Sparkurs.

2011: Die Bank stellt Teile ihrer Vermögensverwaltung zum Verkauf. Die lukrative Publikumsfondsgesellschaft DWS ist davon ausgenommen.

2012: Die Bank erklärt, die Vermögensverwaltung bleibe doch zentraler Bestandteil des Konzerns. Ihre Einzelteile sollen zu einer Einheit (Deutsche Asset and Wealth Management) werden und Synergien mit dem Investmentbanking heben. Im Privatkundengeschäft werden die Norisbank-Filialen in die Postbank eingegliedert. Die Norisbank soll fortan eine reine Online-Bank sein.

April 2015: Die Deutsche Bank muss schrumpfen und beschliesst die Abspaltung der Postbank. Sie soll vorzugsweise an die Börse gebracht werden. Aber auch ein Verkauf an einen Rivalen ist nicht ausgeschlossen. Am Ende will sich die Deutsche Bank komplett von ihr trennen. Eine alternativ geprüfte Abspaltung des gesamten Privatkundengeschäfts wird verworfen.

Oktober 2015: Die Deutsche Bank gibt im Rahmen ihrer "Strategie 2020" bekannt, ihren Anteil an Hua Xia zu verkaufen und tütet den Deal zum Jahresende ein. Die Konzernsparten werden wieder neu zugeschnitten: Das Investmentbanking und die Vermögensverwaltung werden jeweils zerlegt. Das verbleibende Privatkundengeschäft mit den "blauen Filialen" soll zurückgebaut werden. Insgesamt bekommt das Investmentbanking im Konzern damit wieder stärkeres Gewicht, es soll aber kapitalschonender betrieben werden.

Postbank als Ladenhüter

Sommer 2016: Die Postbank erweist sich als Ladenhüter. Einige wenige Interessenten hätten so niedrige Bewertungen avisiert, dass die Deutsche Bank noch einmal Milliarden abschreiben müsste, würde sie darauf eingehen, berichten Insider. Es sickert erstmals durch, dass deshalb auch wieder über eine Re-Integration der Bonner Tochter in den Konzern nachgedacht wird. Ausserdem wird bekannt, dass Deutsche Bank und Commerzbank inoffiziell über einen Zusammenschluss gesprochen haben. Insider sprechen von einem "Sommerflirt". Beide Geldhäuser müssten zunächst jeder für sich aufräumen.

März 2017: Die Deutsche Bank bestätigt die Re-Integration der Postbank, die Vermögensverwaltung soll an die Börse gebracht werden. Das Handels- und Beratungsgeschäft wird wieder in eine gemeinsame Investmentbank zusammengelegt.

März 2018: Die Deutsche Bank bringt einen Minderheitsanteil an ihrem Vermögensverwalter DWS an die Börse. Das spült 1,3 Milliarden Euro in die klammen Kassen des Geldhauses - deutlich weniger als ursprünglich erhofft.

April/Mai 2018: Wenige Wochen nach seinem Amtsantritt verordnet der neue Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing dem Konzern eine Schrumpfkur. Angesichts wegbrechender Erträge und des Verlusts von Marktanteilen wird das Investmentbanking zusammengestrichen, unter anderem bei Dienstleistungen für Hedgefonds und im Handel mit Aktien und Anleihen. 65 Prozent der Erträge sollen künftig aus den stabileren Geschäftsbereichen kommen, zu denen die Bank die Privat- und Firmenkundenbank, den Vermögensverwalter DWS und die Transaktionsbank zählt.

Gescheiterte Fusionsgespräche 

17. März 2019: Die Deutsche Bank und die Commerzbank kündigen offizielle Fusionsgespräche an. Sewing schreibt an die Mitarbeiter, man müsse die sich bietenden Gelegenheiten prüfen. Obwohl die Deutsche Bank durch einen Zusammenschluss mit der Konkurrentin ihr Privat- und Firmenkundengeschäft stärken würde, bleibe es ihr Ziel, "eine globale Bank mit einem starken Kapitalmarktgeschäft zu sein."

25. April 2019: Die Deutsche Bank und die Commerzbank geben das Ende ihrer Fusionsgespräche bekannt. Wichtige Investoren fordern von Deutschlands grösstem Geldhaus einen baldigen Plan B.

23. Mai 2019: Auf der Hauptversammlung lassen die Aktionäre kaum ein gutes Haar an der Strategie des Geldhauses. Sewing kündigt "harte Einschnitte" an.

07. Juli 2019: Die Bank stellt ihre Umbaupläne vor: Weltweit fallen 18.000 Jobs weg. Das deutsche Geschäft mit Firmenkunden und die Transaktionsbank, die für nationale und internationale Unternehmen Dienstleistungen wie Zahlungsverkehr anbietet, werden zu einer Unternehmensbank gebündelt. Aus dem Aktienhandel zieht sich die Bank komplett zurück, im Anleihehandel soll es weitere Einschnitte geben.

09. September 2019: Finanzchef James von Moltke stellt nur wenige Wochen nach Verkündung der neuen Strategie die Ziele für das Ertragswachstum in Frage.

10. Dezember 2019: Beim Investorentag senkt das Institut die Renditeziele für einzelne Sparten. Schwächen werden vor allem im Privatkundengeschäft deutlich. Auch das Firmenkundengeschäft tritt auf der Stelle. Lediglich für das Investmentbanking hebt Sewing die Ertrags- und Renditeziele wieder an.

(Reuters)