Benannt ist das bei Anlegern unbeliebte Omen nach dem deutschen Zeppelin "Hindenburg", welcher am 6. Mai 1937 in Nordamerika verunglückte. Zum Unfall führte eine Verkettung von unvorhersehbaren Komplikationen am Luftschiff, was 36 Menschenleben forderte. Dieses Ereignis läutete das vorläufige Ende der Verkehrsluftschifffahrt ein.

Analog handelt es sich beim Hindenburg-Omen am Aktienmarkt um ein Zusammentreffen einiger technischer Indikatoren, die widersprüchlich sind und auf eine baldige Korrektur - oder anders ausgedrückt: auf einen baldigen Absturz - hindeuten. Damit man von einem Hindenburg-Omen sprechen kann, müssen folgende fünf Bedingungen gegeben sein:

  1. Von den aktuell rund 3200 an der New York Stock Exchange (NYSE) gehandelten Aktien müssen mindestens 2,2 Prozent ein neues 52-Wochen-Hoch und mindestens 2,2 Prozent ein neues 52-Wochen-Tief erreicht haben.
  1. Die Anzahl an neuen 52-Wochen-Hochs darf maximal doppelt so hoch sein wie die Anzahl der neuen 52-Wochen-Tiefs.
  1. Der NYSE-Index ist höher als vor 50 Handelstagen.
  1. Der McClellan-Oszillator ist am gleichen Tag negativ. Dieser Marktindikator misst die Veränderung der gestiegenen und gefallenen Werte des NYSE-Index. Er macht auf Übertreibungen aufmerksam und signalisiert Richtungswechsel.
  1. Treten vorherige vier Punkte alle an einem Tag auf, dann handelt es sich um ein unbestätigtes Hindenburg-Omen. Tauchen nun mindestens zwei solcher Signale innerhalb von 30 Tagen auf, dann gilt das Hindenburg-Omen als bestätigt.

Nachlassende Signalkraft

Konnte das Hindenburg-Omen in früheren Jahrzehnten nur selten beobachtet werden, häuften sich die Signale in den vergangenen Jahren stark. Wie die unten stehende Grafik zeigt, hat es seit August 2013 viele Signale für das Hindenburg-Omen gegeben, das jüngste datiert vom Dezember 2014. Im August 2013 und im September 2014 folgten tatsächlich kleinere Kurskorrekturen. Doch nicht immer kam es zum befürchteten Kurseinbruch. Oftmals handelte es sich um einen falschen Alarm.

Dies nagt an der Glaubwürdigkeit des einst an den Aktienmärkten gefürchteten Omens. Entsprechend schenken Chartanalysten Schweizer Banken dem Omen nur noch geringe Beachtung. "Das Hindenburg-Omen ist nicht das Kriterium, das in unseren Analysen im Vordergrund steht, wir haben unsere eigenen Tools anhand deren wir den Markt einteilen. Ausserdem wäre die Datensammlung sehr kosten- und zeitintensiv. Trotzdem nehmen wir das Hindenburg-Omen ernst, wenn es Auftritt", sagt etwa Beat Grunder, technischer Analyst von Julius Bär, auf Anfrage von cash.

Auch Philipp Jäggle, technischer Analyst der Zürcher Kantonalbank, bläst ins gleiche Rohr: "2007 sah das Hindenburg-Omen zwar die Krise voraus, seither gab es jedoch einige Fehlsignale. Es ist an zu viele Bedingungen geknüpft und wenig zuverlässig. Wir schenken diesem Indikator deshalb keine Beachtung."

Nicht zu unterschätzender Indikator

Trotzdem sollte das Hindenburg-Omen nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Als Musterbeispiel der Prognosekraft gilt die Vorhersage des Platzens der "New Economy"-Blase und dem folgenden mehrjährigen Bärenmarkt. Zwischen dem 3. und 13. Dezember 1999 traten Hindenburg-Omen-Signale an sieben aufeinanderfolgenden Handelstagen auf (grüner Kreis Grafik unten). Dies ein deutliches Zeichen für das baldige Platzen der Blase.

Der Respekt an der Wall Street vor dem Omen kommt nicht von ungefähr: Auch den Crashs von 1987 und 2007/2008 gingen eindeutige Signale voran. Bis auf den Mini-Crash im Sommer 2011 erkannte das Hindenburg-Omen alle Kurseinbrüche von über 15 Prozent der letzten 30 Jahre.

Was uns die Geschichte lehrt: Tritt das Hindenburg-Omen auf, folgt zwar nicht immer ein Kurssturz, doch umgekehrt wurde bei praktisch allen Krisen zuvor am Markt das Hindenburg-Omen beobachtet.