Es gibt eine berühmte Rechnung von Warren Buffett: Im 20. Jahrhundert durchlebten wir zwei Weltkriege und viele andere traumatische Konflikte. Wir überstanden eine grosse Depression, dutzende Börsencrashs und Finanzpaniken, ferner einen Erdölschock oder die Spanische Grippe. Und in dieser Zeit – so der legendäre Investor – «stieg der Dow-Jones-Index von 66 auf 11'497 Punkte».

Die Kernaussage dahinter lautet: Die Katastrophen kommen und gehen, doch das grosse kapitalistische Rad dreht weiter. Es flickt schwerste Schäden, es macht den Menschen reicher, sogar wenn dieser in seiner Blödheit wieder einmal alles zertrümmert. Dabei erwähnte Buffett nicht einmal, dass sich in jener Epoche ein wichtiger Teil der Erde – Russland, China, die kommunistische Welt – von der kapitalistischen Maschine abkoppelte. Oder zeitgemässer formuliert: dass gewaltige supply chains vollends unterbrochen waren.

 

Jetzt aber könnte ein kleines Virus aus der Provinz Hebei das ganze System ernsthaft erschüttern –  diese Befürchtung ist offenbar so verbreitet, dass die Börsen von Tokio bis Zürich einbrechen. Womöglich drohe der Welt eine Rezession oder gar eine lange Krise, weil die Touristen zuhause bleiben, weil Arbeitnehmer in die Quarantäne müssen, weil Fabriken geräumt werden, weil Transportströme abbrechen. 

Wirklich? Was spricht denn dafür, dass die besagte kapitalistische Maschine nicht auch dieses Problem ausbügeln wird, und zwar rasch?

Gerade in den letzten Monaten zeigte der amerikanisch-chinesische Handelsstreit wieder mal, wie flink moderne Konzerne ihre Ausfälle am einen Ort anderswo ersetzen. Da genügte die Androhung von US-Strafzöllen gegen China – und schon wurde die Herstellung erster Stahlprodukte nach Vietnam verlagert.

Und schon wird ein Impfstoff getestet

Aber gewiss: Über allem hängt die Frage, welche menschlichen Opfer das Covid-19-Virus fordern wird. Es ist dieses medizinische und epidemologische Damoklesschwert, das die Wirtschaftsplaner und -propheten enorm verunsichert. Doch immerhin ahnen wir inzwischen, dass die Krankheit bei weitem nicht so tödlich verläuft wie die Pestzüge vergangener Zeiten. Auf der anderen Seite verliefen selbst die unbändigsten Grippe-Pandemien bislang in Wellen, die wieder einmal abflauten – und zwar zumeist recht rasch. Die sagenhafte Spanische Grippe, die 1918 auftauchte, war 1920 wieder vom Erdboden verschwunden.

Dabei hatte man damals gar keine Impfung zur Verfügung. Heute kommt hinzu, dass die Pharma-Forschungsmaschinerie womöglich in der Lage ist, relativ schnell medizinische Antworten zu liefern. Am Montag meldete Monderna Inc., ein Biotech-Unternehmen aus Massachusetts, man werde jetzt dann mit ersten klinischen Tests zu einem Impfstoff gegen das Coronavirus beginnen.

Coronavirus grössere Aufreger als Klima

Ist also die freie, globale Wirtschaft im Grunde unerschütterlich? Keineswegs. Schon vor den ersten Schreckensmeldungen aus Wuhan erschien die nächste Flaute nur noch als Frage der Zeit. Und allgemein muss man vermuten, dass die grosse Welt-Business-Maschine in naher Zeit an harte Grenzen stossen wird.

Bemerkenswert ist lediglich, dass die üble Bedrohung des Coronavirus die wohl viel gefährlichere Bedrohung durch den Klimawandel in den Schatten stellt. Zumindest in unserer Wahrnehmung, hier und jetzt.

Dieser Artikel erschien zuerst auf handelszeitung.ch unter dem Titel "Kein Grund zur Panik: Das optimistische Szenario zum Coronavirus".