Eine wahre Goldgrube für Pharma-Konzerne sind seit jeher neu entdeckte Wirkstoffe. Zurzeit schürft die Branche aber verstärkt auch in den Bergen elektronischer Daten, die Patienten hinterlassen. Die Unternehmen wollen die inzwischen digital verfügbaren Patientenakten, Melderegister und Versicherungsdaten auch mit Künstlicher Intelligenz (KI) auswerten. So sollen Krankengeschichten und Behandlungserfolge einer Vielzahl von Patienten miteinander verknüpft werden, um neu Erkrankte gezielter behandeln zu können. Grosses Potenzial sieht die Pharma-Industrie vor allem bei Krebs sowie Herz- und Atemwegserkrankungen.

Seit langem gelten klinische Studien als das A und O für die Beurteilung der Tauglichkeit von Medikamenten. Solche Untersuchungen werden aber immer teurer und die Auswahl an Studienteilnehmern ist begrenzt. Digital gesammelte Daten von Millionen Behandelten könnten dagegen bei niedrigeren Kosten ein schärferes Bild von Therapie-Erfolgen und -Rückschlägen zeichnen, argumentieren die Befürworter. Mit individuell zugeschnittenen Arzneien - der sogenannten personalisierten Medizin - hofft die Branche auf neue Absatzmöglichkeiten. Doch auf dem Weg ins Big-Data-Eldorado gilt es auch, Datenschutz-Hürden zu nehmen. Das sind die internationalen Big-Data-Pioniere der Pharma-Branche:

- Die US-Gentest-Firma 23andMe nimmt Speichelproben per Post entgegen, identifiziert das Erbgut und informiert Kunden - beispielsweise über ein Alzheimer-Risiko. Für eine Weitergabe individueller Informationen an Forscher muss der Kunde sein Einverständnis geben, nicht aber für die statistische Aufbereitung seiner Daten. Der britische Branchenriese GlaxoSmithKline investierte 300 Millionen Dollar in die Silicon-Valley-Firma und sicherte sich so einen Exklusivvertrag für die Medikamentenentwicklung auf Basis der Kunden-Informationen.

- Die US-Unternehmen EncrypGen, LunaDNA, Zenome und Nebula Genomics arbeiten ähnlich wie 23andMe. Sie verschlüsseln aber in der Regel die gesammelten Daten mit der von Crypto-Währungen bekannten Blockchain-Technologie und entlohnen Kunden für die Bereitstellung ihrer Daten mit "Crypto-Coins".

- Amazon wirbt in seinem Cloud-Geschäft, Amazon Web Services (AWS), für "genomische Analysen". Kunden können demnach in der Daten-Wolke Genom-Informationen speichern und berechnen.

- Auch Google bietet Services rund um Erbgut-Datenbanken an. So unterstützt die Sparte Google Genomics nach eigenen Angaben Forscher dabei, "die genomischen Daten der Welt zu organisieren und sie zugänglich und nutzbar zu machen".

- Die von der Google-Mutter Alphabet unterstützte Software-Schmiede Flatiron Health wertet über eine Kooperation mit mehr als 260 Krebskliniken die Daten von Millionen Patienten aus. Roche beteiligte sich an dem New Yorker Unternehmen und schluckte es schließlich für 1,9 Milliarden Dollar ganz.

- Für die Komplett-Übernahme der ebenfalls in den USA beheimateten Firma Foundation Medicine (FMI) legte Roche 2,4 Milliarden Dollar auf den Tisch. FMI entwickelt Tests, mit denen das genetische Profil von Tumoren analysiert und so die passende Therapie bestimmt werden kann.

- Der US-Spezialist für Big Data Palantir will in einem Joint Venture mit seinem deutschen Partner Merck Software zur Analyse von Daten aus der Krebsforschung anbieten. Bisher hat Merck selbst als Kunde die Technologie des kalifornischen Datensammlers eingesetzt.

(Reuters)