Die Kardinalfrage, die jeden Börsianer permanent umtreibt, lautet: Wohin gehen die Bösen? Steigen oder sinken sie? Oder entwickeln sie sich seitwärts? Wer zu wissen glaubt, wohin die Reise geht, kann entsprechend seine Wetten platzieren und wird innert kurzer Zeit steinreich. Doch die sichere Wette, die gibt es an der Börse nicht.

Dennoch versuchen die meisten Anlageprofis, mit Hilfe von Indikatoren die Entwicklung an den Aktienmärkten vorherzusagen. Allerdings fällt die Auswertung der Ergebnisse oft ernüchternd aus. Dies hängt im Wesentlichen damit zusammen, dass die meisten Indikatoren nur die aktuelle Lage oder eine Einschätzung widerspiegeln - während an den Märkten quasi Erwartungen gehandelt werden und der Fokus sich immer wieder von einem Thema zum nächsten Thema verlagert.

Die Auswahl an Prognose-Instrumenten ist gross und nimmt laufend zu. cash fragte diverse Anlageprofis nach ihrer "Geheimrezeptur" und nach Indikatoren, die sich als Prognoseinstrumente weniger gut eignen.

PMI (Purchasing Manager Index) USA: Die Analyse-Abteilung der Privatbank Rahn & Bodmer zum Beispiel setzt auf Indikatoren, die statistisch aussagekräftig sind: "Verwertbare Erkenntnisse haben wir aus den Subindizes des PMI gewonnen", sagt Urs Brunner, Leiter der Finanzanalyse. Der Index basiert auf einer monatlichen Umfrage unter den Einkaufsmanagern von mehr als 400 Unternehmen in 20 Branchen des verarbeitenden Gewerbes in den USA.

Besonders aus der Konstellation Bestellungseingänge/Fertigwarenlager kann laut Rahn & Bodmer eine einigermassen verlässliche Indikation für die zukünftige Produktion beziehungsweise der zukünftigen Gewinne abgeleitet werden. "Steigen die Auftragseingänge bei tiefen oder gar sinkenden Fertigwarenlager, muss die Produktion angekurbelt werden. Diese aktuelle Konstellation stimmt uns zuversichtlich, dass das Wachstum für einige Zeit nachhaltig sein könnte", sagt Brunner.

Leading-Indicator: Caroline Hilb, Leiterin Anlagestrategie der St.Galler Kantonalbank, setzt auf ein Dreigespann: Den Leading-Indicator des Conference Board, den bereits erwähnten PMI und den Ausblick der Unternehmen im Rahmen einer Berichtssaison. Der Leading-Indicator setzt sich aus insgesamt zehn Komponenten zusammen wie Baugenehmigungen, Auftragseingänge oder den Aktienpreisen der 500 bekanntesten Unternehmen. Dieser Indikator wird für mehrere Länder separat erhoben. Am wichtigsten sei aber jener für die USA, so Hilb. "Derzeit sieht das Bild positiv aus", sagt Hilb. Die Anlagestrategin verweist aber auf externe Faktoren wie die Krim-Krise, die das Bild eintrüben könnten.

Fear & Greed Index: "Dieser Index funktioniert relativ gut, wenn Panik im Markt ist", sagt Thomas Della Casa, Anlagechef bei der Neuen Helvetischen Bank. Der Index wird von CNNMoney erhoben und geht von der Prämisse aus, dass die primären Antriebsemotionen der Investoren Angst und Gier sind. Er basiert auf sieben Subindikatoren wie dem Put/Call-Ratio, der Marktvolatilität, der Nachfrage nach Junk Bonds beziehungsweise sicheren Häfen.

Werte nahe null zeigen eine übermässige Angst, Werte nahe 100 hingegen eine mögliche Überbewertung der Aktien an. Der Januar war ein Panik-Monat. "In der Regel sind solche Extremsituationen ein Kaufsignal", sagt Thomas Steinemann, Anlagechef bei der Privatbank Bellerive, der ebenfalls diesen Index in seine Prognosen miteinbezieht. Interessant: Trotz der Krise auf der Krim notiert der Index derzeit im neutralen Bereich.

Risk-Appetite-Index: Della Casa setzt desweitern auf den Global Risk-Appetite-Index der Credit Suisse. Der Index wird seit 1998 erhoben und misst die Risikoprämien in Bond- und Aktiensektoren weltweit. "Der Index eignet sich, um allgemeine Stimmung an den Finanzmärkten einzufangen. Für Anlageentscheidungen hingegen ist er kein gutes Instrument", so Della Casa.

So zeigte der Index nach den Kursrückschlägen an den Aktienmärkten bis 2003 Panik bei den Anlegern an. Sie verloren die Geduld und verkauften ihre Aktien. Doch Kurz nach der Dotcom-Blase 2003 zogen die Märkte wieder stark an. Dasselbe Muster wiederholte sich nach der Finanzkrise 2009. Auf der anderen Seite bieten solche Paniksituationen Langfristinvestoren die Gelegenheit einzusteigen, da auch bei gesunden Unternehmen Unterbewertungen eintreten können. Im Moment liegt der Index im neutralen Bereich.

Gewinnrevisionen von Sektoren und Regionen: Ein gängiges Mittel unter Marktbeobachtern ist die Einschätzung der Börsenentwicklung anhand der Gewinnrevisionen auf der Ebene der Regionen und Sektoren. Der statistische Zusammenhang zwischen Gewinnrevisionen und Börsenentwicklung war bis etwa Mitte 2011 recht stark. Seither werden deutlich mehr Gewinne nach unten als nach oben revidiert - und die Börse steigt trotzdem.

Gewinnrevisionen der Analysten: Obwohl man weiss, dass Analysten als Gesamtheit nicht gut prognostizieren, gibt es immer wieder ein paar Experten, die ins Schwarze treffen. Steinemann macht eine simple Rechnung: Er summiert alle Kaufempfehlungen und subtrahiert davon die Summe aller Verkaufsempfehlungen. Das Resultat dividiert er durch das Total aller Empfehlungen. Je höher der Wert ausfällt, desto "bullisher" ist das Momentum. "Von allen Indikatoren zeigte nur dieser den Wendepunkt an den Börsen im März 2009 an", sagt Steinemann.

Russell 2000: Dieser Index umfasst die 2000 kleinsten US-Unternehmen punkto Marktkapitalisierung. Dabei handelt es sich laut Steinemann um ein sensibles Barometer, das eine vorausliegende Kurskorrektur an den Märkten sehr früh anzeigt - und zwar früher als die Indizes, welche grosskapitalisierte Unternehmen abbildet. "Der Aufwärtstrend ist immer noch intakt", sagt Steinemann.

Dow Transportation Index: Einige Marktbeobachter verweisen in ihren Prognosen auch gerne auf die Entwicklung des Transportwesens. Der Dow Jones Transportation Index zum Beispiel gilt vorlaufender Indikator der US-Konjunktur und damit auch der Aktienmärkte. Ein Kursrutsch deutet auf eine konjunkturelle Schwäche an – ein Warnsignal für Anleger. Besonders technische Analysten befassen sich mit dem Index. Der Dow Transportation Index bildet die 20 an der Wall Street kotierten Transportunternehmen ab.

Vorsicht bei diesen Indikatoren

Es gibt auch Indikatoren, die sich für Prognosen nicht eigenen. Hervorzuheben ist das so genannte Fed-Modell, das den Unterschied zwischen Obligationenrendite und Aktienrendite als Indikator für oder gegen Aktien verwendet.

"Dieser Indikator wird von vielen Analysten immer wieder als Argument für Aktien im aktuellen Umfeld tiefer Zinsen herangezogen, obwohl der Indikator völlig unzuverlässig ist", sagt Joachim Klement, Anlagechef bei Wellershoff & Partner.

Dieser Indikator zeigte in der Finanzkrise an, dass Aktien viel attraktiver als Obligationen sind. Er hat damit viele Anleger ins Verderben gestützt. Zudem hat der Indikator gemäss einer historischen Analyse ausser in den 1980er und 1990er Jahren nicht funktioniert. Insbesondere in Zeiten steigender Zinsen wie wir sie zuletzt in den 1960er und 1970er Jahren hatten hat der Indikator komplett versagt.

Wenig hilfreich seien auch Makrodaten wie BIP oder Arbeitsmarkdaten, so Steinemann. Diese Kennzahlen beziehen sich immer auf die Vergangenheit. "Anleger, welche ihre Anlagestrategie einzig auf solche Daten beziehen, hätten erst 2010 in die Börse investiert und dabei über ein Jahr Börsenhausse verpasst."