Dass Mario Draghi an den Finanzmärkten auch Gewicht hat, wenn er fast nichts sagt, zeigte sich am letzten Donnerstag. Nach der Ratssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) hielt sich deren Präsident zwar mit konkreten Aussagen zur Geldpolitik weitgehend zurück. Dennoch setzte sich am Markt die Erkenntnis durch, die Geldschwemme der Notenbank werde noch längere Zeit anhalten.

Und das, so die Schlussfolgerung, wird den Euro im Vergleich zu anderen Währungen wohl abschwächen. So verlor der Euro in der Folge sukzessive an Wert. Zum Schweizer Franken sank die Gemeinschäftswährung am frühen Montag gar auf den tiefsten Stand seit Anfang August und kratzte dabei an der Marke von 1,08.

Ob die anschliessende Gegenbewegung durch Devisenkäufe der Schweizerischen Nationalbank (SNB) ausgelöst wurde, kann nur vermutet werden. Jedenfalls gaben auch überraschend gute Zahlen zur Unternehmensstimmung im Euro-Raum dem Euro wieder Auftrieb, wie der folgende Intraday-Chart vom Montag zeigt. Bis am Dienstagmorgen erholt sich der Kurs kaum und steht um 8 Uhr bei 1,081.

Euro-Franken-Kurs während des Handels am Montag bis kurz vor 15 Uhr (Quelle: cash.ch)

Solche kurzfristigen Veränderungen wie nach der letzten EZB-Sitzung werden in der Regel als rein spekulativ begründet. In der Tat ist der Euro-Franken-Kurs in den letzten Monaten nicht durch  grosse Ausschläge aufgefallen. Seit den heftigen Ausschlägen im Rahmen des Brexit-Votums Ende Juni pendelt das Währungspaar in einem schmalen Band zwischen 1,08 und 1,10.

Erholung im Euro-Raum erwartet

Dieser kurzfristige Ausbruch nach unten widerspricht eigentlich den mittel- und langfristigen Erwartungen vieler Marktbeobachter, die langsam etwas Entspannung in den Euro-Franken-Kurs kommen sehen – vor allem aufgrund wirtschaftlicher Verbesserungen im Euro-Raum.

"Konjunkturell holt Europa gegenüber den USA allmählich auf, das wird sich im Wechselkurs niederschlagen", sagt Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff im Gespräch. Dementsprechend werde der Schweizer Franken als Fluchtwährung unattraktiver. Innerhalb der nächsten zwölf Monate erwartet Raiffeisen deshalb, dass der Euro die Marke von 1,10 knackt und bis auf 1,12 Franken ansteigt.

Ein ähnliches Szenario hat auch Ökonom Markus Schmieder vom Beratungsunternehmen Wellershoff & Partners. Unter der Voraussetzung einer spürbaren wirtschaftlichen und politischen Erholung im Euro-Raum hält er einen Euro-Franken-Kurs von 1,15 durchaus für möglich. Allerdings bezieht er sich dabei auf einen Zeithorizont von drei Jahren.

Laut Schmieder beobachtet die SNB punkto Interventionen eher einen handelsgewichteten Korb von mehreren Währungen gegenüber dem Franken als eine inoffiziellen internen Mindestkurs. Dieser wird vom Markt in der Region um 1,08 vermutet. "Das wäre ineffizient, weil ein Mindestkurs am meisten Sinn macht, wenn er offen kommuniziert wird", so Schmieder.

Kauft die EZB bald Aktien?

Doch vorerst steht ohnehin die Geldschwemme der EZB im Fokus der Devisenmarkt-Teilnehmer. Zwar erwartet kaum jemand, dass der Ausstieg aus dem Anleihe-Kaufprogramm abrupt erfolgt. Denn das würde an den Finanzmärkten zu Verwerfungen führen. Vielmehr dürften die Geldspritzen von monatlich 80 Milliarden Euro im Laufe des kommenden Jahres gedrosselt werden; nach dem Vorbild der amerikanischen Notenbank.

Spannend wird es, wenn sich die Wirtschaft im Euro-Raum wider Erwarten nicht weiter erholt. Dann müsste die EZB die Märkte weiter mit Geld fluten, hätte aber ein praktisches Problem: "Weil sie die Obligationenmärkte allmählich leerkauft, müsste sie auf Aktien umschwenken", sagt Raiffeisen-Chefökonom Neff. Er bezeichnet das als "Zaubertrick ohne Wirkung", der auch ordnungspolitisch äusserst fragwürdig wäre.