cash: Transfergo ermöglicht internationale Geldüberweisungen zu viel tieferen Preisen als beispielsweise Western Union. Wie funktioniert das genau?

Daumantas Dvilinskas: Unser System läuft komplett digital. Wir senden die Geldbeträge nicht einzeln über die Landesgrenzen. Stattdessen machen die Kunden eine lokale Zahlung auf das Konto einer Bank, mit der wir kooperieren, und wir überweisen es dem Empfänger ebenfalls von einem lokalen Konto. Das macht die ganze Transaktion 90 bis 95 Prozent günstiger als herkömmliche Methoden. Wir verfügen über ein grosses Netzwerk an Bankkonten über die verschiedenen Länder verteilt, in denen wir unseren Dienst anbieten.

In wievielen Ländern sind Sie momentan aktiv?

Wir bedienen mehr als 40 Länder, arbeiten mit mehr als 30 Bankpartnern zusammen und haben hunderte Bankkonten.

Sie gehören also nicht zu den disruptiven Fintech-Unternehmen?

Nur über die Bankinfrastruktur können wir Zahlung abwickeln. Jeder, der etwas anderes behauptet, sagt nicht die Wahrheit. Denn die Kunden müssen ja ihr Geld bekommen. Und das ist nur möglich mittels Bargeldbezug oder mit einem Bankkonto. Für beide Varianten braucht es eine Bank.

Und was halten Sie in diesem Bereich von Krypto-Währungen oder der Blockchain-Technologie?

Krypto-Währungen versuchen, das Problem des Informationsaustauschs zu lösen. Das haben wir bereits getan. Ein Beispiel: Bei einer Bitcoin-Zahlung wissen Sie sofort, ob das Geld aus Grossbritannien in Polen angekommen ist. Mit unserem System funktioniert das genauso. Ein Problem entsteht, wenn man das Geld weiterverwenden will. Dafür hat Blockchain keine Lösung. Denn wenn man das Geld physisch haben möchte, ist es erstens teuer und dauert, zweitens, lange. Die schnellste Transaktion, die wir abgewickelt haben, dauerte eine Minute und 25 Sekunden.

Transfergo konzentriert sich auf Länder mit vielen Ausländern oder Migranten. Warum sind Sie in der Schweiz noch nicht aktiv?

Aus dem einfachen Grund, weil die Schweiz nicht Teil des Europäischen Wirtschaftsraums ist. Wir bräuchten eine andere Lizenz. Deshalb steht die Schweiz nicht zuoberst auf unserem Fahrplan, aber wir wären sehr interessiert.

Sie sind ursprünglich aus Litauen. Warum sind Sie nach London umgezogen?

Ich habe einen grossen Teil meiner Ausbildung in Grossbritannien absolviert. In London habe ich zudem meine unternehmerische Karriere gestartet. Der zweite Grund war, dass das regulatorische Umfeld nirgends in Europa so günstig ist wie in Grossbritannien. Drittens ist London eine Finanzmetropole und in der Fintech-Szene weltweit führend. Wir haben aber immer noch ein Bein in Litauen, wo wir technologische Entwicklungen durchführen.

Wie sind Sie in der Fintech-Szene gelandet?

Transfergo ist bereits mein drittes Unternehmen, das erste gründete ich im Alter von 19. Die ersten zwei Versuche scheiterten zwar, waren aber gute Erfahrungen. 2010 hatten wir eine Idee, die mit dem heutigen Pinterest (Anm. der Red.: ein soziales Netzwerk für virtuelle Pinwände) vergleichbar ist. Wir wollten das Geschäft von Europa heraus starten, was sich als Fehlentscheid herausstellte. Mit dem ersten Projekt belieferten wir englische Universitäten mit Merchandising-Produkten. Dabei kamen wir auf die Idee von Transfergo, weil wir viele internationale Zahlungen abwickeln mussten.

Macht Transfergo bereits Gewinn?

Im Moment nicht. Erst kürzlich erhielten wir jedoch 2,5 Millionen Dollar Investoren-Gelder. Wir wollen auch noch nicht profitabel sein, weil wir stark wachsen. Weit weg von der Gewinnschwelle sind wir allerdings nicht.

Welches sind die nächsten Ziele?

In diesem Jahr geht es vor allem darum, Marktanteile zu gewinnen und in neue Regionen vorzustossen. Wir möchten auf globaler Ebene in möglichst vielen Währungsräumen tätig sein, um Migranten zu helfen, Geld zu überweisen.

Streben Sie einen Verkauf der Firma an?

Momentan stehen wir nicht zum Verkauf. Mit drei Jahren befinden wir uns immer noch in einer frühen Entwicklungsphase. Natürlich haben wir uns auch schon Gedanken gemacht über eine Übernahme. Die Fokussierung auf unsere Kunden und unser Wachstum gibt uns die besten Zukunftschancen. Denn die herkömmlichen Finanzinstitute sind interessiert an qualitativ hochwertigen Marken und Konsumenten.

Vor welchen grossen Veränderungen steht die Finanzindustrie?

Vor fünf Jahren boten Banken eine breite Servicepalette an eine breite Kundschaft an, Kredite, Hypotheken, Geldtransfers und so weiter. Ich erwarte eine Veränderung hin zu wenigen hochwertigen Produkten in einem spezifischen Gebiet. Die Konsumenten werden nicht mehr nach monopolistischen Angeboten Ausschau halten, sondern nach grossartigen Produkten, die ihnen bislang niemand anbot.

Sie waren in diesem Jahr zum ersten Mal am WEF in Davos zu Gast. Wie wichtig ist ein solcher Riesenanlass für eine kleine Firma wie Transfergo?

Die Tatsache, dass Fintech-Firmen wie wir eingeladen wurden, zeigt die gewachsene Bedeutung von innovativen Unternehmen aus der Fintech-Industrie. Denn nun können wir direkt mit globalen Meinungsführern sprechen und die Zukunft des Banking mitgestalten. Das WEF ist immer noch der hochkarätigste Anlass, den man sich vorstellen kann. Zudem trifft man auf so viele andere Firmen, dass man eine Vorstellung bekommt, wie neue Technologien die Welt verändern. Ist Technologie nicht Teil dieser Konversation, sind Veränderungen schwierig. Weil technologische Neuerungen der Haupttreiber für positive Veränderungen sind.

Welches ist die wichtigste Visitenkarte, die Sie in Davos bekamen?

Ich kann keine einzelne hervorheben. Aber die Kontakte zu Investoren und die Gespräche mit den Medien sind sehr wichtig. Auch konnten wir vielen eindrücklichen Persönlichkeiten zuhören. Davos wird einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Welches sind aus Ihrer Sicht die drängendsten globalen Probleme?

Der Zugang zu finanziellen Institutionen für einen grösseren Teil der Weltbevölkerung. Wie bringt man Leute von Bargeld zur Nutzung von digitalen Angeboten? Bill Gates sagte schon vor Jahren, wenn man die Kosten für Geldtransfers von armen Leuten von 5 auf 2 Prozent senkt, könnten viele Menschen der Armut entkommen. Ein Haupttreiber dieser Armut ist, dass immer noch zu viel Bargeld verwendet wird. Je mehr Leute Zugang zu digitalen finanziellen Institutionen haben, desto mehr Wachstum werden wir erleben. Gerade in Entwicklungsländern bringt das Transparenz, Sicherheit und Wohlstand.

Transfergo wurde 2012 in London von jungen litauischen Migranten gegründet. Die Idee: Menschen im Ausland sollen günstiger und schneller Geld nach Hause schicken können. Der Firmensitz befindet sich in Londons Fintech-Hub Level39. Dort und in Vilnius arbeiten 36 Personen für Transfergo.