Noch Ende Juni 2017 kostete ein Barrel Öl der Marke Brent 45 Dollar. Diese Woche hat der Preis nun zwischenzeitlich sogar die 75-Dollar-Marke geknackt. Rohöl hat in bloss zehn Monaten also um 66 Prozent zugelegt. Nach einem zwischenzeitlichen Rückgang in diesem Jahr beträgt der Anstieg 10 Prozent. 

Entwicklung Rohölpreis Marke Brent in den letzten 52 Wochen, Quelle: cash.ch

Gemäss Duncan Goodwin, Leiter Global Resources beim Londoner Vermögensverwalter Baring Asset Management, kam es in den letzten Monaten zu einer starken Reduktion der globalen Rohöl-Lagerbestände, wodurch die Preise anstiegen sind. "Der Zusammenhang zwischen den globalen Lagerbeständen und dem Ölpreis ist sehr stark", sagt der Rohstoff-Experte im cash-Talk.

Dieses Verhältnis zwischen Ölvorräten und Preis folgt dem ökonomischen Grundprinzip von Angebot und Nachfrage: Weniger Vorräte sind gleichbedeutend mit einer Angebotsverknappung, was in der Theorie – und derzeit auch in der Realität – zu einem höheren Preis führt. Umgekehrt führt auch eine höhere Nachfrage zu einem ansteigenden Preis.

Opec als Haupttreiber

Aber welche Kräfte haben nun konkret für die geringeren Lagerbestände gesorgt? "Der wichtigste Treiber war die Opec, die ihre Produktionsdrosselung fortsetzt, um den Markt wieder in Balance zu bringen", so Goodwin.

Die Opec, das ist die Vereinigung der erdölproduzierenden Länder. Mitglieder sind vierzehn Staaten, darunter etwa Iran, Kuwait, Saudi-Arabien und Venezuela. Diese haben schon seit einiger Zeit einen Förderkürzungspakt beschlossen, um den Zerfall der Rohölpreise entgegenzuhalten. Auch Nicht-Mitglied Russland ist am Pakt beteiligt, die USA hingegen nicht.

An ihrem letzten Treffen vom 20. April hat das Kartell nun eine mögliche Verlängerung der Anfang 2017 installierten Fördergrenze signalisiert. Kritisiert wurde dies unter anderem von US-Präsident Donald Trump. Er drohte auf Twitter, dass man diese "künstlich" erhöhten Erdölpreise nicht akzeptieren werde.

Ziel der Opec ist es, die Ölbestände global wieder auf ein fünfjähriges Durchschnittslevel zu bringen, sprich: Überproduktionen (die auf den Preis drücken) zu vermeiden. "Interessanterweise haben wir dieses angestrebte Level jüngst gerade erreicht", so Goodwin. Deshalb sei es von nun an spannend zu beobachten, ob die Opec mit den Kürzungen etwas zurückfahren wird. "Aber Frühindikatoren zeigen an, dass diese kurzfristig beibehalten werden."

Wie geht es weiter mit dem Ölpreis?

Der höhere Ölpreis sorgt bei Konsumenten etwa für steigende Benzin- und Heizkosten und bei Firmen für höhere Produktionskosten. Gleichzeitig hebt dies die Inflation an, was wiederum die Aktienmärkte verunsichert. Daher ist die weitere Entwicklung des Ölpreises von grosser volkswirtschaftlicher Bedeutung. Aber hält der Anstieg an?

"Auch wenn der Preis kurzfristig sehr volatil ist, sehen wir diesen längerfristig bei 65 Dollar", so Goodwin. Bereits als Rohöl noch mit 45 Dollar pro Barrel bewertet war, lag die Langfristigprognose von Baring Asset Management bei exakt diesen 65 Dollar. Daran hält der Vermögensverwalter nun also auch bei Preisen um 75 Dollar fest.

Als Rohstoffbeobachter stellt man sich natürlich unweigerlich die Frage, weshalb ausgerechnet bei 65 Dollar ein Gleichgewicht gefunden werden soll.  "Das hat mit den Grenzkosten für die Produktion von amerikanischem Schieferöl zu tun", erklärt Goodwin.

Die USA sind seit einigen Jahren dank signifikanten Investitionen in Schieferöl-Anlagen ein wichtiger Spieler auf dem Rohöl-Markt geworden. Solche Bohranlagen können bei höheren Preisen schnell in Betrieb genommen werden, was das Angebot ausweitet und wiederum den Ölpreis unter Druck bringt. Fällt der Ölpreis hingegen unter die Grenzkosten der Produktion dieser Firmen, können Bohrungen auch schnell eingestellt werden. Wo genau diese Grenzkosten liegen, ist jedoch umstritten. Gewisse Experten sehen diese gar bei nur 50 Dollar pro Barrel, andere wiederum bei 70 Dollar.

Interessante Öl-Aktien

Sollte sich Goodwins 65-Dollar-Prognose bewahrheiten, so könnte das für zahlreiche Öl-Aktien ein signifikantes Aufwärtspotenzial beinhalten. Denn mit diesen zum Vorjahr deutlich höheren durchschnittlichen Ölpreisen zeichnen sich für Ölproduzenten auch höhere Gewinne ab. 

Besonderes Potenzial sieht Goodwin, der den "Global Resources Fund" führt, bei Öl-Firmen wie Suncor Energy aus Kanada sowie EOG Resources und Halliburton Company, die beide ihre Zentrale in Houston, USA haben. Es handelt sich um die grössten Positionen seines Portfolios.

Im cash-Talk nennt Duncan Goodwin weitere Gründe für die derzeitige Ölpreis-Hausse. Ausserdem sagt er, weshalb er derzeit auch auf Kupfer, Düngemittel und Lithium setzt.