Die Insel Hainan trägt auch die Bezeichnung "das Hawaii Chinas". Einst verbannten die chinesischen Kaiser und später das kommunistische Regime ihre Kritiker auf die subtropische Insel, die den südlichsten Punkt der Volksrepublik ausmacht. Heute ist hingegen Hainan ein Touristenparadies, vier Flugstunden von Peking entfernt. Umspült vom südchinesischen Meer, sind die feinen Sandstrände vor allem bei Sonnenhungrigen vom chinesischen Festland beliebt. In der Touristenstadt Sanya stehen zahlreiche Luxushotels; Auch westliche Hotelketten eröffnen vermehrt ihre Resorts.
Hainan ist eine der chinesischen Sonderwirtschaftszonen, also jene Gebiete, die das Regime besonders fördert. Die Insel ist auch der Sitz der HNA Group, ein Tourismus- und Luftfahrtkonzern, der sich inzwischen auch in die Schweiz ausgedehnt hat. Nachdem die Chinesen die Bodenabfertigungsgesellschaft Swissport und den Airline-Caterer Gategroup kauften, übernehmen sie nun auch 80 Prozent der Wartungsgesellschaft SR Technics, die davor der emiratischen Mudabala Group gehörte. Damit ist die HNA Group am Flughafen Zürich so einer starken Präsenz geworden.
Mittelschicht liebt das Fliegen
Dabei ist die HNA Group erst 1993 gegründet worden und steht exemplarisch für den Aufschwung Chinas. Gross geworden ist die Gruppe im Fluggeschäft mit der Hainan Airlines. Sie ist heute die grösste privat gehaltene Fluggesellschaft des Landes und nach China Southern, China Eastern und Air China die viertgrösste des Landes.
Kurzstreckenjets der Hainan Airlines (Bild: Screenshot Youtube).
Die rasch wachsende Mittelschicht des Landes kann sich Reisen leisten und macht von diesem neu gewonnen Privileg regen Gebrauch. Zwischen 2011 und 2015 steigt die Zahl beförderter Passagiere durch chinesische Fluggesellschaften um 35 Prozent auf 400 Millionen Personen.
Buddhistische Prinzipien
Inzwischen gehören zur HNA Group weitere chinesische Airlines – nach eigenen Angaben unterhalten die diversen Gesellschaften 1250 Flugzeuge - und eine Reihe von Touristik- und Immobiliengesellschaften. Das Unternehmen betreibt 13 Flughäfen in China, unter anderem den Airport der Hainan-Inselhauptstadt Haikou und des Badeorts Sanya. Zum Geschäft der Gruppe gehören auch Flugzeugleasing, Versicherungen und Kapitalmangement.
Die Zahl der Mitarbeiter beziffert das Unternehmen auf 200'000, der Umsatz beläuft sich auf rund 30 Milliarden Dollar. Gegründet und bis heute geführt wird das Firmenkonglomerat vom Aviatikunternehmer Chen Feng. Er liess sich im Westen ausbilden und hat wertvolle Verbindungen zur Kommunistischen Partei. Seine aussergewöhnlichste Eigenschaft ist aber, dass er praktizierender Buddhist ist: Der Firmensitz der HNA-Group, ein 38-stöckiges Hochhaus, soll der Form eins sitzenden Buddha nachgebildet sein.
Im Gegensatz zu anderen chinesischen Wirtschaftsgrössen gilt Chen als bescheiden und gegenüber der Öffentlichkeit zurückgezogen. Nicht so moderat dagegen sind seine Ziele: Der Firmenlenker will, dass seine HNA Group im Jahr 2020 zu den 100 grössten Unternehmen der Welt zählt.
China will Expansion
Die Expansion der HNA Group, wie sie nun auch die Schweiz erreicht hat, ist ebenfalls typisch für die Phase, in der sich die chinesische Wirtschaft heute befindet. Gerade bei strategischen Wirtschaftszweigen wie der Industrie will Peking einen möglichst grossen Teil der Wertschöpfungskette kontrollieren und fördert daher Auslandszukäufe.
Der Hauptsitz der HNA Group in Haikou soll an einen sitzenden Buddha erinnern (Bild: Screenshot Youtube).
Auch technologisches Know-How zu gewinnen hat höchste Priorität: Der Agrochemie-Deal, in dem ChemChina den Basler Syngenta-Konzern kaufte, fällt in dieses Kapitel. "Chinas Credo lautet: 'Um ein reiches Land mit einer starken Wirtschaft zu werden, müssen die Technologie und die Research- und Entwicklungsarbeit in China sein. Chinas 10-Jahresplan zielt darauf ab, dass es nicht mehr heisst 'Made in China', sondern 'Made by China'", sagt Heinz Rüttimann, Aktienstratege und China-Kenner bei der Bank Julius Bär.
Bei privat gehaltenen Unternehmen wie der HNA Group ist der Regierungseinfluss wesentlich weniger direkt als bei Staatsbetrieben. Es kommt ohnehin noch ein anderer Grund dazu, weswegen die Expansion ins Ausland mit solchen Nachdruck betrieben wird: Ein Luftfahrt- und Aviatikunternehmen wie die HNA Group steht im Heimmarkt unter starkem Konkurrenzdruck und versucht, diesen über Auslandinvestitionen zu mildern. "Gerade wenn im Heimatmarkt eine Konsolidierung stattfindet, gehen die Unternehmen vermehrt ins Ausland - das ist nicht anders als bei westlichen Firmen", sagt Rüttimann.
Neues Aviatik-Cluster
Ist die starke chinesische Präsenz am Flughafen Zürich nun ein Grund zur Sorge? Generell herrscht bei chinesischen Firmen ein Mangel an Transparenz. Der Machtanspruch Chinas zeigt sich auch dadurch, dass für die Übernahmen oft relativ hohe Preise bezahlt werden. Andererseits sind chinesische Firmen professionell geführt, denn klar ist: Auch die neuen Besitzer wollen eine Rendite auf ihrem Investment.
Flughafen Zürich-CEO Stephan Widrig sieht in den neuen Besitzstrukturen bei den Airline-Zulieferen Vorteile, wie er kürzlich einen cash-Interview sagte: "Wenn nun dank eines ausländischen Investors diese Firmen wieder ein starkes Cluster in der Aviatik bilden, ist dies eine Chance für die Schweiz." Seit dem Zerfall der Swissair-Gruppe sind deren ehemaligen Konzerngesellschaften Gategroup, SR Technics und Swissport nicht mehr in einer Hand vereinigt gewesen.
Eine Negativmeldung über die Chinesen am Flughafen hat sich zumindest als falsch erwiesen, nämlich jene, dass die HNA Group das Fotografieren der Hangare der SR Technics verbiete. Flugzeugbegeisterte dürfen startende, landende und rollende Jets weiter vor dem Hintergrund der Wartungshallen ablichten. Nicht gern gesehen wird es nur, wenn Privatjets wichtiger Personen fotografiert werden. Dies war allerdings schon bei den SR-Technics-Besitzern aus Abu Dhabi so.