Die Aluminium-Giesserei Röders aus Soltau übt schon für das Krisenszenario einer gedrosselten Gasversorgung: Der Zulieferer für die Auto- und Maschinenbauindustrie hat seinen Schicht-Betrieb umgestellt, um mit weniger Gas auszukommen. Drei Wochen lang wird jetzt in drei Schichten rund um die Uhr das Leichtmetall gegossen, dann bleiben die beiden Schmelzöfen eine Woche lang kalt, wie Firmenchef Gerd Röders erklärt. Dafür werde weniger Gas gebraucht, als wenn die Öfen jeden Morgen hoch- und abends wieder heruntergefahren werden.

Schon die strengeren Klimaschutzvorschriften der Europäischen Union im Kampf gegen Treibhausgas setzten die energieintensive Industrie unter Druck. "Aber mit der Krise in der Ukraine mussten wir den Turbo zünden und mussten uns wirklich überlegen, was können wir aktuell tun, um ganz kurzfristig Energie nochmal doppelt zu sparen", sagt Röders im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters.

Das über 200 Jahre alte Traditionsunternehmen aus Niedersachsen wird von Gerd und Andreas Röders in sechster Generation geführt. Es produziert mehr als 1000 verschiedene Teile, in erster Linie für Kunden der Autoindustrie wie Volkswagen oder den Zulieferer Continental, aber auch für Flugzeugbau und Medizintechnik.

Gas-Abhängigkeit hoch

Die Aluminiumindustrie gehört neben der Chemie sowie der Stahl-, der Glas- und der Papierindustrie zu den grössten Gasverbrauchern in Deutschland. Daher schrillen hier die Alarmglocken mit Blick auf mögliche Gaslieferstopps aus Russland besonders laut. Die Alu-Hersteller, hierzulande rund 240 Unternehmen mit insgesamt über 60'000 Beschäftigten, arbeiten schon länger an Notfallplänen.

Von ihnen beziehen Giessereien wie Röders, von denen es etwa 600 mit zusammen 75'000 Mitarbeitern gibt, ihren Rohstoff. Nach einer Umfrage des Verbandes Aluminium Deutschland können neun von zehn Aluminiumhütten nicht auf einen anderen Energieträger als Gas ausweichen. Bereits ab einer Verringerung der Gaszufuhr von bis zu 30 Prozent würde bei der Hälfte der Betriebe die Produktion stillstehen.

Die Bundesregierung hat Unternehmen wie Verbraucher zum Einsparen von Gas aufgerufen. Nach dem dreistufigen Notfallplan Gas der Regierung würde in der letzten Stufe die Bundesnetzagentur die Zuteilung des knappen Energieträgers an die Wirtschaft steuern. Die Autobauer warnten, ihre Notfallpläne zur Stabilisierung der Produktion in der Gaskrise funktionierten nur, wenn auch die Zulieferer weiterarbeiten könnten.

Die Betriebsunterbrechung über eine oder womöglich noch mehr Wochen ist derzeit für die Firma Röders verkraftbar, weil die Auslastung aufgrund gestörter Lieferketten niedriger ist als üblich. Die Umstellung sei mit Kosten verbunden - doch weiter zu arbeiten wie bisher wäre angesichts der rapide steigenden Gaspreise noch teurer, erklärt Röders. Die Gasrechnung habe sich in diesem Jahr schon mehr als verdoppelt. "Wir erwarten von diesem zum nächsten Jahr eine Verdrei- bis Vervierfachung." Die Giesserei müsse versuchen, das über ihre Preise wieder hereinzuholen. Dazu gehe sie auf die Kunden zu und lege ihre Kosten offen. Preisanpassungsklauseln seien bisher nur für den Fall höherer Rohstoffpreise üblich, aber nicht bei steigenden Energiekosten. "Auch unsere Kunden sind nicht daran interessiert, dass wir pleitegehen", setzt Röders auf Verständnis. Die ganze Branche sei heute so vernetzt, dass in dem Moment, wo irgendwo der Gashahn zugedreht wird, die Industrie über kurz oder lang zum Stillstand komme.

Ferner Ausweg - Wasserstoff

Mit Blick auf den Klimaschutz arbeitet die Giessereibranche schon länger an Alternativen zum fossilen Brennstoff Gas. Doch die Entwicklung der Technologie dauert noch. Röders zum Beispiel arbeitet mit anderen Unternehmen und der Universität Braunschweig und unterstützt mit staatlichen Fördermitteln an einem wasserstoffgetriebenen Schmelzofen. Dieser wird zu 60 bis 70 Prozent mit Gas und mit 30 bis 40 Prozent mit Wasserstoff befeuert. Das Interesse an dem Projekt sei mit der Invasion Russlands in der Ukraine gewachsen - aber der Weg bis zur Realisierung noch weit. Der Prototyp soll Ende dieses Jahres laufen. Bis zur Industrialisierung dauere es aber mindestens noch fünf Jahre. "Diesen Winter müssen wir uns warm anziehen - da werden wir noch keinen Wasserstoff-Ofen haben", sagt Röders.

(Reuters)