Der Chef der US-Investmentbank Morgan Stanley James Gorman rechnet nicht mit einem Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone. "Ich glaube nicht, dass Griechenland den Euro verlässt. Es wird einen Kompromiss geben, das Risiko ist zu groß", sagte der Top-Banker der "Welt am Sonntag".

Sinnvoller sei es, die Schulden des Landes zu restrukturieren. Sollte Griechenland die Währungsunion doch verlassen, hält Gorman die wirtschaftlichen Folgen für überschaubar, die Ansteckungsgefahr für die Weltwirtschaft sei begrenzt. "Schließlich hatten alle Akteure genug Zeit, sich auf dieses Szenario vorzubereiten." Er fügte aber hinzu: "Die politischen Folgen sind jedoch unkalkulierbar. Da gibt es bisher auch keine Erfahrungen.

Die Allianz-Fondstochter Pimco erwartet im Falle einer griechischen Staatspleite keine grossen Verwerfungen auf den Finanzmärkten. Vereinzelt könne es aber zu "Anpassungen" kommen.

Dies sagte Pimco-Chef Douglas Hodge auf einer Fachkonferenz in London. Die Finanzmärkte hätten reichlich Zeit gehabt, sich auf einen Bankrott der Athener Regierung vorzubereiten. "Dieses Drama läuft schon seit drei Jahren." Inzwischen stünden die Märkte auch einem Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone relativ gelassen gegenüber. Er hoffe aber, dass Griechenland in der Währungsgemeinschaft bleibe. Ein Ausstieg hätte für Europa eher politische als wirtschaftliche Konsequenzen, ergänzte Hodge.

Die Hoffnungen auf eine Einigung im Schuldenstreit der Geldgeber mit Griechenland schwinden zusehends. Ohne weitere Hilfen der Gläubiger, die dafür konkrete Reformzusagen aus Athen verlangen, droht dem Euro-Land Ende des Monats das Geld auszugehen. Die US-Notenbank warnte zuletzt vor negativen Folgen eines Scheiterns der Verhandlungen für Finanzmärkte und Konjunktur. Pimco ist ein der größten Anleihen-Fonds der Welt. Er hatte sich vor allem unter seinem Gründer, "Bond-König" Bill Gross, einen Namen gemacht. Gross verließ Pimco vergangenes Jahr im Streit.

Frankreichs Finanzminister Michel Sapin warnt vor einem Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone (Grexit). Ein solcher Schritt wäre eine Katastrophe für das klamme Land, sagte Sapin in einem Interview mit der Zeitung "Le Journal du Dimanche". Alles müsse getan werden, um dieses Szenario zu vermeiden. Die Konsequenzen wären nur schwer abschätzbar.

Athen müsse zur Lösung der Schuldenkrise "solide" und "ernsthafte" Vorschläge präsentieren. "Wir müssen eine Einigung finden, die es Griechenland ermöglicht, zu Wachstum und Investitionen zurückzukehren", ergänzte Sapin.

Der österreichische Notenbankchef Ewald Nowotny sieht die Eurozone heute deutlich besser gewappnet gegen ein Ausscheiden Griechenlands als vor zwei Jahren. Damals habe es noch die akute Gefahr gegeben, "dass ein Zusammenbruch Griechenlands negative Folgen auf andere Südländer hätte", sagte Nowotny dem "Kurier", der das Interview am Samstag auf seiner Internetseite veröffentlichte.

"Das ist heute anders: Die Zinsen der Staatsanleihen von Italien, Spanien und Portugal sind kaum in die Höhe gegangen, nicht zuletzt durch die Geldpolitik der EZB", fügte Nowotny hinzu, der auch dem Führungsgremium der Europäischen Zentralbank (EZB) angehört. "Die Märkte sehen Griechenland als Sonderfall. Die Kosten eines Grexit für Europa wären heute wesentlich geringer als noch vor zwei Jahren."

Politisch allerdings könnte "eine chaotische Entwicklung Griechenlands eine gefährliche Situation für Europa insgesamt bedeuten". Daraus resultiere eine schwierige gesamtgesellschaftliche und politischen Kosten-Nutzen-Rechnung. "Deswegen dauern die Beratungen auch so lange." Ein anderer Aspekt eines Grexits sei der Schuldenschnitt. Die Gläubiger müssten dann auf einen erheblichen Teil ihrer Gelder verzichten.

Dem deutschen SPD-Parteichef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ist aus der eigenen Partei populistisches Verhalten im Schuldenstreit mit Griechenland vorgeworfen worden. Auf dem Kleinen Parteitag am Samstag in Berlin habe ihn der SPD-Europaabgeordnete Peter Simon wegen eines Beitrags in der "Bild"-Zeitung kritisiert, erfuhr Reuters von einem Teilnehmer des Parteikonvents, der hinter verschlossenen Türen tagte.

Die Politik der griechischen Regierung dürfe nicht argumentativ mit den deutschen Arbeitern und ihren Familien vermischt werden, habe Simon gesagt und gefordert, der Populismus müsse vor der Tür des Willy-Brandt-Hauses, der Parteizentrale, enden. Gabriel habe den Vorwurf zurückgewiesen, berichtete ein Teilnehmer. Wer die Stimmung der Menschen im Lande nicht aufgreife, sorge erst für die weitere Verbreitung von Ressentiments, habe Gabriel gesagt.

Der Parteichef war bereits in der Bundestagsfraktion wegen seines Namensbeitrags in der "Bild" am vergangenen Montag angegangen worden. Darin hatte er Griechenland ermahnt, dass die Geduld in Europa schwinde. "Und wir werden nicht die überzogenen Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen Regierung durch die deutschen Arbeitnehmer und ihre Familien bezahlen lassen", schrieb Gabriel darin.

Der Ökonom Peter Bofinger fürchtet bei einem Euro-Austritt Athens mittelfristig um die Stabilität der Euro-Zone. Kurzfristig würde ein "Grexit" die griechische Wirtschaft ins Chaos mit einer gigantischen Inflation stürzen, aber die Folgen für Deutschland und die Weltwirtschaft wären nicht gross, sagte der Sachverständige zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der "Passauer Neuen Presse" (Samstag).

Doch ein "Grexit" würde den Charakter der Euro-Zone verändern und Spekulanten anziehen. Bekäme ein Land wirtschaftliche Probleme, würde auf einen weiteren Euro-Austritt spekuliert. Das treibe die Zinsen hoch und führe zu Kapitalabfluss. "So destabilisiert man Länder", erläuterte Bofinger. Er hoffe auf eine Lösung der Griechenlandkrise in letzter Minute, wie das in Europa üblich sei.

Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Wolfram Elsner mahnte eine pragmatische Lösung mit Athen an. In den Verhandlungen sei so hoch gepokert worden, "dass es wirklich um die Frage Gesichtsverlust geht", sagte Elsner am Samstag im Deutschlandradio Kultur. "Es geht hier nur um Drohkulissen, und offensichtlich bis in die letzte Sekunde hinein." Man werde aber in der realen Welt auch nach dem 30. Juni eine Lösung finden müssen.

Die Lösungssuche werde von politischen und weltanschaulichen Konflikten erschwert, sagte Elsner. Während die Geldgeber überhaupt keine Probleme hätten, der Ukraine grössere Geldsummen zukommen zu lassen, seien die Griechen links und aufmüpfig. "Und da wird eben auf beiden Seiten natürlich Powerplay gespielt."

(Reuters/AWP/cash)