Der in der Corona-Krise geltende Schutz vor Zwangsräumungen endet kurz darauf, ebenso das Darlehensprogramm für Studenten. Der designierte Präsident Joe Biden will mit einem Team aus Spezialisten für den Arbeitsmarkt und ökonomische Ungleichheit solche Probleme angehen. Ihre Ideen reichen von einem höheren Mindestlohn über die gezielte Förderung von Langzeitarbeitslosen bis hin zu einem leichteren Zugang zu staatlicher Unterstützung.

Anerkannte Experten

Dabei stützt sich der Demokrat auf anerkannte Experten. Finanzministerin wird Janet Yellen, die lange an der Spitze der US-Notenbank Federal Reserve stand. Mit Cecilia Rouse wählte Biden eine Arbeitsökonomin der Universität Princeton für die Spitze des Beratergremiums Council of Economic Advisers (CEA) aus - eine Frau, die ihre Forschung auf den Bildungsbereich konzentriert hat.

Ihr zur Seite stehen soll Heather Boushey, Chefin des Washington Center for Equitable Growth, die für ihre Forschung über Ungleichheit und Wirtschaftswachstum bekannt ist. Auch der langjährige Berater Jared Bernstein, der dafür kämpft, die Beschäftigungslücke zwischen schwarzen und weissen Arbeitnehmern zu schliessen, soll zum CEA stossen.

"Es ist wichtig, dass wir rasch handeln", um die Auswirkungen der Corona-Krise zu bekämpfen, gibt Yellen die Marschrichtung vor. Dabei stehe man "in der Pflicht, tiefere strukturelle Probleme zu beheben". Als Beispiele nennt sie minderheiten- und geschlechtsspezifische Unterschiede bei Löhnen, Wohnbedingungen und Jobchancen. Die Pandemie bringe "die Möglichkeit mit sich, in ihrem Gefolge eine bessere Wirtschaft aufzubauen", sagt Bidens künftige Beraterin Rouse. "Eine Wirtschaft, die für alle funktioniert."

"Müssen wir in Ordnung bringen"

Dass Biden Arbeitsökonomen um sich schart, sei "kein Zufall", glaubt Adriana Kugler, Professorin für öffentliche Politik und Wirtschaft an der Georgetown University. "Dies ist das Schlüsselthema unserer Zeit", betont Kugler, die während der Amtszeit von Barack Obama als Chefökonomin für das Arbeitsministerium tätig war. "Das ist es, was wir in Ordnung bringen müssen."

Das Beratergremium CEA könnte damit zu seinen Wurzeln zurückkehren. Es wurde mit dem Employment Act von 1946 geschaffen, um "allen Amerikanern" das Recht auf Vollzeitarbeit zu geben, erklärt William Spriggs, Chefökonom bei AFL-CIO, dem grössten US-Gewerkschaftsbund. "Es ist in dieser Wirtschaft sehr wichtig, einen CEA zu haben, der die Bedeutung der Vollbeschäftigung versteht."

Die Arbeitslosigkeit sank während der Amtszeit von Präsident Donald Trump zunächst auf den tiefsten Stand seit einem halben Jahrhundert. Dann kam die Pandemie und sorgte für einen starken Anstieg. Doch selbst davor blieb die Arbeitslosenquote für Schwarze fast doppelt so hoch wie für Weisse.

Ein Gesetz zur Konjunkturbelebung

Die Wirtschaft müsse funktionieren - "nicht nur für die Reichen, sondern auch für hart arbeitende Menschen, die sie zum Laufen bringen", betont Wally Adeyemo, der stellvertretender Finanzminister werden soll.

Biden fordert ein Gesetz zur Konjunkturbelebung, das allerdings seit Monaten im Kongress blockiert wird. Nach seinem Amtsantritt am 20. Januar will er weitere Massnahmen durchsetzen, um die grösste Volkswirtschaft der Welt in Schwung zu bringen. Einige Experten von Bidens Wirtschaftsteam sind für den Einsatz so genannter automatischer Stabilisatoren.

Sie koppeln staatliche Leistungen wie Arbeitslosenhilfe an Konjunkturindikatoren wie die Arbeitslosenquote. Heather Boushey etwa fordert, dass Leistungen für Arbeitslose so eingerichtet werden, dass sie automatisch weiter gezahlt werden, bis sich die Wirtschaft erholt hat. Das würde verhindern, dass der Kongress im Falle einer Pattsituation die Leistungen von aktuell 600 Dollar wöchentlich auslaufen lässt.

Höherer Mindestlohn

Bidens Wirtschaftsteam dürfte sich auch der Anhebung des Mindestlohns widmen. Derzeit liegt er auf Bundesebene bei 7,25 Dollar je Stunde. Eine Anhebung auf 15 Dollar "hat enorme Auswirkungen auf die Einkommensungleichheit und insbesondere für schwarze Frauen", sagt Gewerkschafter Spriggs. Dem Bureau of Labor Statistics zufolge erhielten 2,7 Prozent der schwarzen Frauen den Mindestlohn oder sogar weniger. Boushey zufolge kann eine Anhebung die Armutsquote senken, die Produktivität steigern und die Einkommensungleichheit verringern.

Bousheys Forschung, wie familienfreundliche Politik das Wachstum der Wirtschaft unterstützen kann, gewann während der Pandemie neue Bedeutung. Denn besonders Frauen wurden durch Corona aus dem Erwerbsleben gedrängt, arbeiten sie doch häufig in betroffenen Branchen wie dem Gastgewerbe. Biden plant höhere Steuergutschriften für die Kinderbetreuung, den Ausbau der Dienstleistungen für die Pflege älterer Menschen und eine bessere Bezahlung und mehr Leistungen für Erzieher. Vieles davon hat Boushey während ihrer Forschungskarriere untersucht: "Mein Lebenswerk hat sich darauf konzentriert, dafür zu sorgen, dass unsere Familien und unsere Arbeit in unserer Wirtschaft angemessen gewürdigt werden".

Das Biden-Team will auch in die Infrastruktur investieren - was definiert werden kann als "das, was die Regierung tut, damit die Menschen Arbeit finden können", sagt Spriggs. Das schliesst für ihn einen leichteren Zugang zu Ausbildungsprogrammen und Kinderbetreuung ein. Von Langzeitarbeitslosigkeit bedrohten Menschen könnte geholfen werden, indem gezielt in Umschulung investiert wird. Hier könnten Frauen und Männer auf besonders stark nachgefragte Jobs vorbereitet werden - etwa im Gesundheitswesen und bei erneuerbaren Energien, sagt Kugler.

(Reuters)