Diese Senkung des Leitzinses auf das rekordtiefe Niveau entspricht den Andeutungen von EZB-Exponenten aus den letzten Wochen. Nicht nur EZB-Präsident Mario Draghi, sondern auch andere Top-Notenbanker hatten seit März immer wieder betont, dass sie bei mehr und mehr unbefriedigenden Wirtschaftsdaten zu einem solchen Schritt bereit wären, würden die Finanzmärkte wohl verschnupft reagieren, sollte die EZB sich nun verweigern oder den Schritt auf die lange Bank schieben. Eine Verschlechterung der Stimmung der Investoren wird die EZB wohl nicht riskieren wollen - schliesslich schwelt die Schuldenkrise weiter und kann, wie sich erst vergangenen Monat in Zypern zeigte, immer wieder hochkochen.

Für eine Zinssenkung spricht auch, dass die EZB angesichts der niedrigen Teuerung in der Euro-Zone im Moment bei den Zinsen freie Hand hat: die Inflationsrate ist so niedrig wie seit drei Jahren nicht mehr und ein Anstieg ist nicht in Sicht, so dass von einer weiteren Zinssenkung wenigstens an dieser Front keine Gefahr ausginge.

Von vielen Ökonomen wird indes bezweifelt, dass von dieser Zinssenkung tatsächlich die gewünschte Wirtschaftsbelebung in der Eurozone ausgeht. Zumindest dürfte die Exportwirtschaft etwas Auftrieb erhalten. Denn der Wechselkurs des Euro würde tendenziell gedrückt und somit die Wettbewerbsposition der europäischen Firmen auf den Weltmärkten gestärkt. Zuletzt hat Japan mit einer aggressiven Geldpolitik den Yen auf Talfahrt geschickt und somit den einheimischen Firmen Vorteile verschafft.

Die EZB hat stets betont, dass sie keine aktive Währungspolitik betreibt - sprich den Euro nicht künstlich drückt. Von Währungsmanipulation könnte bei einer Zinssenkung auf 0,5 Prozent auch nicht die Rede sein. Auch den europäischen Aktienmärkten dürften niedrigere Zinsen Aufwind verschaffen, da andere Anlageklassen wegen der niedrigen Zinsen kaum Rendite abwerfen.

Neben dem Leitzins veränderte der EZB-Rat auch den Satz, den Banken bezahlen müssen, wenn sie sich kurzfristig Geld bei der Notenbank leihen müssen. Er sinkt von 1,5 auf 1,0 Prozent. Den Zins, den Banken bekommen, wenn sie Geld bei der EZB anlegen, beließen die Notenbanker dagegen bei 0,0 Prozent. Eine Absenkung dieses Zinssatzes hätte wie ein Strafgeld für die Banken gewirkt.