Über Jahrzehnte war der Verkauf von Pauschalreisen an sonnenhungrige (Nord-) Europäer für Anbieter wie TUI, Kuoni und Thomas Cook ein einträgliches Geschäft. Doch Billigfluggesellschaften und das Internet als neuer Vertriebskanal haben das lukrative Bündel aufgeschnürt. Online-Reiseanbieter arbeiten mit niedrigeren Kosten und höherer Reichweite. Terrorismus, politische Unsicherheiten und zuletzt der heisse Sommer 2018 haben viel Kunden kurzfristig umplanen oder den Urlaub sogar in heimische Gefilde verlegen lassen.

Für Anbieter sind diese Entwicklungen brutal. Der Schweizer Traditionskonzern Kuoni gehört mittlerweile zur deutschen Rewe Gruppe. Club Med aus Frankreich ging 2015 an die Fosun Tourism Group. Thomas Cook, dessen Namensgeber aus Grossbritannien die Pauschalreise quasi erfunden hatte in den 1840er Jahren mit Zugfahrten von Leicester nach Nottingham und Birmingham, gab letzten Monat bekannt, das Veranstaltergeschäft ebenfalls an Fosun abgeben zu wollen. Anleihen des Unternehmens notieren nur noch bei etwa einem Drittel ihres Wertes, die Aktie ist nur noch ein Pennystock.

Anders TUI in Deutschland. Das Unternehmen, das ab 1924 als Preussische Bergwerks- und Hütten-Aktiengesellschaft staatliche Bergwerke und Salinen betrieb, legte 1997 den Grundstein für sein Tourismusgeschäft mit dem Kauf der Hapag-Lloyd AG, die auch eine handvoll Kreuzfahrtschiffe besass sowie eine Pauschalreisesparte mit dem Namen Touristik Union International. Über die Jahre gab das Unternehmen seine Industrieaktivitäten ab, kaufte im Tourismusbereich zu und benannte sich 2002 in TUI um.

TUI reagiert auf Branchenkrise

"Wenn Wettbewerber sich schwer tun, muss man sich immer fragen, ob das an ihrer schlechten Performance liegt, oder ob die Branche schwieriger wird", sagt Fritz Joussen, Vorstandschef der TUI. "Die Branche ist schwieriger geworden, deshalb haben wir schon vor Jahren mit unserer Transformation begonnen."

Der Prozess war steinig. Nachdem Joussen-Vorgänger Michael Frenzel für seine Zu- und Verkäufe sowie nicht erreichte Prognosen viel gescholten worden war, lief es unter Joussen lange Zeit rund. Erst zwei Gewinnwarnungen im Februar und März kratzten an seiner Erfolgsbilanz. T

Obwohl die strategische Richtung stimme, stehe der Beweis, dass auch TUIs Veranstaltergeschäft langfristig prosperieren kann, noch aus, so Richard Clarke, Analyst bei Sanford C. Bernstein. "TUI hat sich enorm weiterentwickelt," so Clarke. "Das Unternehmen leidet auch, aber es ist ihm gelungen, sich anzupassen."

Eigene Hotels und Schiffe

Der Schlüssel zu TUIs Widerstandsfähigkeit liegt in einem höherwertigen Angebot sowie eigenen Hotels, Schiffen und mit ihnen verbundenen Aktivitäten. Während Thomas Cook grossteils als Händler agiert, kontrolliert TUI inzwischen 380 Hotels, viele davon im Besitz, mit insgesamt 240,000 Betten, 60 Prozent mehr als vor 10 Jahren. Mit den Zukäufen von Hapag-Lloyd und Thomson Travel kam das Unternehmen darüber hinaus zu besagten Kreuzfahrtschiffen, eine damals wenig beliebte Reiseform.

"Wir haben uns gefragt: Sollen wir das Kreuzfahrtgeschäft verkaufen oder behalten und profitabler machen?" so Sebastian Ebel, bei TUI im Vorstand für Hotels und Kreuzfahrten verantwortlich. "Wir haben uns für die Sanierung entschieden und das hat extrem gut funktioniert." Heute hat TUI 17 der schwimmenden Hotels, vom 150-Bett Expeditionsschiff für Abenteuertrips zum Amazonas und die Arktis bis zu Ozeanriesen mit 2900 Betten.

Obwohl Kreuzfahrten damals wenig populär waren, sah TUI die Chance, Mittelmeertörns auch als "all inclusive‘’ Produkt anzubieten, was Interessenten mehr Preissicherheit versprach als die Clubschiffe der Konkurrenz von Aida. Der Plan ging - zusammen mit dem Branchenriesen Royal Caribbean - auf. Heute betreiben die Hannoveraner ein ansehnliches Portfolio, welches auch den Luxusbereich und in Grossbritannien das mittlere Preissegment abdeckt.

Auslastung wird konsequent berücksichtigt

Den Finanzen ist das Geschäft ebenfalls zuträglich: Schiffe sind mobil und können, anders als viele Mittelmeerhotels, auch im Winter gut gefüllt werden, wenn sie die entsprechenden Routen befahren. Auch zahlen Kreuzfahrer in der Regel früher, so dass die Buchungen der Kunden Neuanschaffungen gleich mitfinanzieren.

Ähnliches versucht TUI bei Hotels: neue Häuser entstehen bevorzugt in der Karibik und im Indischen Ozean, wo das ganze Jahr über eine bessere Auslastung möglich ist. Für Mexiko etwa setzt TUI auch auf Gäste aus den USA, und auch Kanadier fliegen im Winter gern in wärmere Gefilde. Das alles ist nicht billig: grosse Hotels kosten bis zu 100 Millionen Dollar, und Neubauten grosser Kreuzfahrtschiffe bewegen sich heute bereits in Richtung von einer Milliarde. TUIs Investitionsbudget musste entsprechend angehoben werden.

Konkurrenz ist enorm

Und das Geschäft bleibt herausfordernd. Onlineanbieter wie Booking bewertet die Börse mit einem Vielfachen der TUI. Für Urlauber, die abseits der Massen unterwegs sein wollen, hat Airbnb inzwischen sechs Millionen Unterkünfte im Angebot. Und EasyJet spricht von 20 Millionen Kunden, die mit dem zweitgrössten Billigflieger in Europa verreisen, die dazugehörigen Übernachtungen bislang jedoch anderswo buchen. Das will Vorstandschef Johan Lundgren ab Sommer 2020 ändern. Und er weiss, wovon er spricht: Er war jahrelang bei TUI.

TUI dagegen sieht sich auf dem richtigen Weg. Mehr als zwei Drittel der Gewinne kommen heute nicht mehr aus dem Veranstaltergeschäft, sondern aus Hotels und Schiffen. Neue Kunden will man in Indien, China und Brasilien einsammeln - die Anzahl der TUI-Hotels im Indischen Ozean, die sich für Pauschaltouristen aus China anbieten, soll sich in den kommenden Jahren verdoppeln. Schnorchelausflüge, Wüstensafaris oder Stadtbesichtigungen sollen Kunden bald vorab von zuhause aus dazu buchen können.

"Wir haben grossartige Chancen auf Erfolg," so Joussen. "Wir wollen jeden unserer Kunden bald so gut kennen, dass wir wirklich personalisierte Angebote erstellen können. Früher waren wir Händler, heute sind wir ein Produktunternehmen und in Zukunft wollen wir eine digitale Plattform werden."

(Bloomberg)