Der 12. November 2019 ist für die Streaming-Branche ein einschneidendes Datum. An diesem Tag geht ein neuer, mächtiger Player im Streaming-Geschäft online. Disney lanciert mit Disney+ erstmals eine eigene Streaming Plattform. Dieser Launch – zunächst in USA, Kanada und den Niederlanden – gleicht einem Beben im Streaming-Geschäft.

Warum? Weil mit Disney das grösste und mit 250 Milliarden Dollar Marktkapitalisierung wertvollste Medienunternehmen der Welt erstmals den direkten Weg zum Konsumenten sucht. Zwischenhändler dürften in absehbarer Zukunft keine Rolle mehr spielen. Mit dem im April abgeschlossenen Kauf von 20th Century Fox hat Disney sein ohnehin gigantisches Archiv an Film- und Serienproduktionen noch mal vergrössert.

Star Wars, Iron Man, Titanic, Avatar oder auch die Simpsons: das alles gehört zu Disney. Noch sind diese Produktionen (je nach Land) teilweise auf Netflix zu sehen. Doch das ändert sich bald.

cash zeigt, welche Player im Streaming-Markt die besten Karten haben und wo sich dementsprechend ein Einstieg lohnt.

Disney: Kampfansage an die Branche

Wenn die Integration von 20th Century abgeschlossen ist, kann Disney aus dem Vollen schöpfen, und wie: Dem Kunden können sowohl sämtliche seit 1920 produzierte Disney-Inhalte wie auch das gesamte Archiv des drittgrössten Filmstudios 20th Century geboten werden. Eine Kampfansage an Netflix und Co. Zudem lässt der Konzern seine Kooperationsverträge mit Netflix und Amazon auslaufen.

Heisst: Die Inhalte werden exklusiv auf dem Disney-Dienst zu sehen sein. Disneys Ziele sind hochgesteckt: 60 bis 90 Millionen zahlende Kunden bis 2024. Erst ab diesem Jahr soll das Streaming Gewinne abwerfen. Die Investitionen für den Streaming-Dienst sind immens: Die Übernahme von 21th Century kostete nicht weniger als 71,3 Milliarden Dollar.

Disney kann die Investition stemmen. Im Gegensatz zum Konkurrenten Netflix wuchs Disney in den letzten zehn Jahren langsam und solide. Zudem hat der Konzern mit den Themenparks und Resorts andere lukrative Standbeine. 2018 schlägt ein operativer Gewinn von 12,6 Milliarden Dollar zu Buche, bei einem Umsatz von knapp 60 Milliarden. Auch die Ebit-Marge von 25 Prozent lässt sich sehen. Kurz: Disney ist solide aufgestellt und bereit für den Kampf um den Streamingmarkt.

Netflix: Streaming-König – wie lange noch?

Netflix ist längst bewusst, dass es auf eigene Produktionen setzen muss. Die Zeiten, in welchen der Streaming-Pionier auf Produktionen anderer Filmstudios zurückgreifen kann, sind bald vorbei. Ende Jahr läuft der Vertrag mit Disney aus. Dennoch: Noch ist Netflix mit 152 Millionen zahlenden Kunden unangefochtener Streaming-König. Netflix legte in den letzten Jahren ein Turbo-Wachstum hin. Der Umsatz ist heute zehnmal höher als noch vor zehn Jahren. Doch grosse Gewinne macht Netflix erst seit zwei Jahren, als sich die Skaleneffekte erstmals bemerkbar machten. 

Ebenso wie das Wachstum ging die Aktie durch die Decke: In zehn Jahre legten die Valoren um rund 5000 Prozent zu. Allerdings: Experten sehen die Netflix-Aktie extrem hoch bewertet. Im Kurs stecken hohe Erwartungen und mitunter auch viel Phantasie drin, entsprechend hoch ist die Fallhöhe. Im Juli sorgte Netflix erstmals für erste Enttäuschungen bei Anlegern. Statt wie geplant fünf Millionen neue Nutzer, gewann man nur 2,8 Millionen. Der Kurs rutschte seither um 25 Prozent ab. Man kann sich vorstellen, was passiert, sollten die Nutzerzahlen eines Tages mal rückläufig sein.

Kursentwicklung der Netflix-Aktie seit 2009, Quelle: cash.ch.

Hinzu kommt: Auch dieses Jahr wird Netflix mit minus 3,5 Milliarden einen deutlich negativen Cashflow ausweisen. Zwar macht der Dienst offiziell Gewinne, aber Investitionen in neue Produktionen führen dazu, dass Netflix noch immer mehr Geld ausgibt als es einnimmt. Der Einstieg von Disney ist für Netflix die grösste Herausforderung seit langem.

Apple: weg vom iPhone, hin zum Streaming?

Ende 2018 war es bei beim iPhone-Konzern soweit: Erstmals machte der Umsatz mit iPhones weniger als die Hälfte des Gesamtumsatzes aus. Der Markt für Smartphones scheint zunehmend gesättigt, das zeigen auch Zahlen anderer Hersteller. Apple gleicht die schrumpfenden iPhone-Erlöse zunehmend mit Einnahmen aus Dienstleistungen aus: dazu gehören etwa eigene Apps sowie Bezahldienste wie Apple Pay und Apple Music.

Und: ab dem 1. November gehört auch Apple TV+ dazu. Diese Woche stellte Tim Cook in Cupertino den neuen Streaming-Dienst vor. Auch Apple setzt ausschliesslich auf Eigenproduktionen. Zwar dürfte das Angebot anfangs noch dürftig sein, allerdings ist es hochkarätig. Mit Steven Spielberg und Jennifer Aniston standen neben Tim Cook zwei Hochkaräter auf der Bühne, die Apple exklusiv für Eigenproduktionen gewinnen konnte.

Und: Apple geht mit einem Kampfpreis für seinen Dienst auf den Markt. 4,90 Dollar soll der Dienst pro Monat kosten. Wer ein Apple-Gerät kauft, soll den Dienst ein Jahr gratis erhalten. Zum Vergleich: Disney+ wird zum Start in den USA 6,99 Dollar kosten, Netflix verlangt gar 9 bis 14 Dollar pro Monat, je nach Abo. Tim Cook rechnet in vier Jahren mit 100 Millionen Nutzern - ein ambitioniertes Ziel.

Fazit: Eigenproduktionen sind die Zukunft

In welche Streaming-Aktie lohnt es sich nun, zu investieren? Das Marktpotenzial für Streamingdienste wird sich mit dem steigenden Wohlstand weltweit stetig vergrössern. Branchenkönig Netflix hat derzeit noch einen komfortablen Vorsprung, wird aber zunehmend unter Druck geraten und seine übermächtige Vormachtstellung kaum halten können. Das birgt Gefahren für Anleger. Die Aktie ist hoch bewertet, zukünftige Marktanteil-Verluste dürften an der Börse abgestraft werden. Trotzdem ist langfristig mit dem Marktführer zu rechnen, zu gross ist deren Marktstellung. Dennoch sollten Anleger hier erstmal abwarten, wie der Markt sich mit den neuen Playern entwickelt.

Anders bei Disney: Wer an die Streaming-Strategie des Unterhaltungs-Giganten glaubt, sollte jetzt einsteigen. Exklusive Eigenproduktionen sind die Zukunft der Branche. Da ist Disney ganz vorne mit dabei. Zwar rechnet der Konzern erst 2024 mit Gewinnen aus dem Streamingdienst, doch Konkurrent Netflix beweist, dass Aktienkurse auch ohne grosse Gewinne steigen können – wenn das Zukunftsmodell stimmt. Zudem hat Disney mit dem Betrieb von Themenparks und Merchandising andere lukrative Standbeine.

Apple gehört mit einer Marktkapitalisierung von etwa 900 Milliarden Dollar zu den drei grössten Unternehmen der Welt. Mit dem Einstieg in das Streaming-Geschäft versucht der Tech-Gigant, ein neues Standbein aufzubauen – es wäre eines unter vielen. Finanziell ist Apple damit noch besser als Disney für den Streaming-Kampf gerüstet. Doch Apples Aktienkurs hängt von vielen anderen Faktoren ab, die wenig mit dem Streaming-Markt zu tun haben. Der Handelsstreit ist nur einer davon.