Geldhäuser wie JP Morgan und Goldman Sachs sind in den vergangenen Jahren weit vorausgeeilt. Nun könnte eine Trendwende bevorstehen. Die einst von einer ganzen Verlustserie geplagte Deutsche Bank legte die Latte bereits höher: Sie verdiente mit 1,94 Milliarden Euro 2021 so viel wie seit zehn Jahren nicht mehr.

Die europäischen Banken müssten nun die Chance nutzen, die sich ihnen bietet, sagen Fachleute. "Die Notwendigkeit zu zeigen, wofür sie wirklich stehen und wie sie sich voneinander unterscheiden wollen, wird immer dringlicher", sagt Eriola Shehu Beetz, Partnerin bei der Unternehmensberatung BCG in London. Besonders beim Thema Techologie hätten Banken in Europa Nachholbedarf. "Was die US-Banken wirklich gut gemacht haben, ist die technologische Aufrüstung im Kapitalmarktgeschäft. Das macht sie viel widerstandsfähiger." Außerdem schlage es sich in der Aktienbewertung durch.

Keine der zehn größten europäischen Banken hat dem Datenanbieter Refinitiv zufolge ein Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von mehr als eins. In den USA liegt nur die Citigroup darunter, alle anderen grossen Banken weit darüber. Ein niedriges KBV weist generell darauf hin, dass ein Unternehmen eher günstig bewertet ist. Ein hohes KBV signalisiert eine hohe Bewertung.

Besonders im Investmentbanking haben die US-Banken die Nase vorn. Die Sparte birgt zwar mehr Risiken als das klassische Geschäft mit Firmen- und Privatkunden, es hat aber auch mehr Gewinnpotenzial. Auf die US-Institute JP Morgan, Goldman Sachs, Morgan Stanley, Citigroup und Bank of America entfielen laut Refinitiv 2021 ein Drittel der gesamten Einnahmen für Fusionsberatung in Europa, dem Nahen Osten und Afrika. Die sechs größten Institute in Europa kamen dagegen zusammen auf gerade einmal zwölf Prozent. Die Deutsche Bank gewann immerhin in ihrem Heimatmarkt die Position als Marktführerin zurück.

Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen wieder positiv

Von den steigenden Zinsen wird vor allem das Privat- und Firmenkundengeschäft profitieren. So setzt die auf Baukredite spezialisierte niederländische ING darauf, dass die Profitabilität mit den steigenden Zinsen besser wird, wie ING-Chef Steven van Rijswijk sagte. Die Banken in Großbritannien merken die Trendwende bei den Zinsen bereits in ihren Erträgen, denn die britische Zentralbank hat die Zügel schon angezogen und die Leitzinsen erhöht.

Die US-Notenbank Fed hat für dieses Jahr gleich mehrere Zinsanhebungen angekündigt. Die Europäische Zentralbank (EZB) ist zwar noch defensiver eingestellt und will zunächst ihre Nullzinspolitik beibehalten. Experten gehen aber davon aus, dass es für die EZB immer schwieriger wird, den Zentralbanken in den anderen Ländern nicht nachzuziehen.

Allein schon die Aussicht auf höhere Leitzinsen führt an den Kapitalmärkten zu steigenden Zinsen, von denen die Banken auch profitieren. Vor einer Woche stieg die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen erstmals seit Anfang Mai 2019 wieder in positives Territorium. Auch die Renditen der US- und der britischen Staatsanleihen legten zu.

Deutsche Bank zahlt erstmals seit 2018 wieder eine Dividende

Ein Ass im Ärmel haben die Banken in Europa im Vergleich zu ihren US-Rivalen noch: Sie haben nach Meinung von Fachleuten viel Spielraum, bereits gebildete Risikovorsorge für faule Kredite aufzulösen und damit ihre Ergebnisse aufzupolieren. US-Banken haben das im vergangenen Jahr zum Teil schon in größerem Stil gemacht. "Die Kreditmoratorien sind fast vorbei, und die Banken haben immer noch eine ganze Reihe von Rückstellungen für faule Kredite, die sie zurücknehmen können", sagt Jerome Legras von Axiom Alternative Investments.

Investoren hoffen darauf, dass die wiedergewonnene Schlagkraft ihrer Banken zu höheren Gewinnausschüttungen führt. Die Deutsche Bank kommt dem Wunsch direkt nach - sie zahlt erstmals seit 2018 wieder eine Dividende an ihre Aktionäre. Doch auch Investitionen in Digitalisierung und in das gewinnbringende Geschäft mit reichen Kunden könnten strategisch sinnvoll sein.

Die Banken hätten bewiesen, dass sie mit schwierigen Bedingungen zurecht kämen, sagt Analyst Oliver Judd vom Vermögensverwalter Aviva. "Genug ist jetzt genug. Der Fokus muss darauf liegen, was sie mit dem überschüssigen Kapital machen. Wir brauchen Strategien. Darauf warte ich seit zwei Jahren."

(Reuters)