Mit 100 Schweinen hat alles begonnen. Als Albert Pascual ein Kind war, legte sein Vater in der spanischen Provinz Avila den Grundstein für die Schweinefarm, die inzwischen mehr als 9000 Tiere besitzt und das Fleisch in die ganze Welt versendet.

Die Farm steht sinnbildlich für das rasante Wachstum der Branche in Spanien. Das Land ist auf gutem Weg, in diesem Jahr der Top-Produzent für Schweinefleisch in Europa zu werden - und hat zuletzt sogar Deutschland überholt.

"Mein Vater hat in den 1990er Jahren Schweine verkauft, als es diesen Sektor praktisch noch gar nicht gab. Jetzt ist Spanien eine Weltmacht", sagt Pascual. Bisher war Deutschland innerhalb der Europäischen Union der grösste Produzent von Schweinefleisch.

Ein Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest bei Wildschweinen in Ostdeutschland im Herbst 2020 bremste das Wachstum aber jäh aus. Im ersten Halbjahr 2021 ging die Schweinefleisch-Herstellung laut Daten der EU-Kommission um 1,3 Prozent auf 2,52 Millionen Tonnen zurück.

Achtes Jahr mit Gewinn

Bleibt es bei dem Minus im Gesamtjahr, wäre es das fünfte Jahr in Folge mit Rückgängen. Spanien steht dagegen vor dem achten Jahr in Folge mit Zuwächsen. Die Landwirte dort produzierten im ersten Halbjahr 2,6 Millionen Tonnen Schweinefleisch, vier Prozent mehr als im selben Zeitraum vor einem Jahr.

Spanien kommt zugute, dass dort keine Schweinepest grassiert. Grosse Abnehmer wie China kämpfen selbst mit dieser Krankheit auf ihren Schweinefarmen. Sie bestellen deshalb mehr in der EU als sonst.

Die Nachfrage aus China sei zuletzt massiv in die Höhe geschossen, sagt Ramon Soler Ciurana, Exportmanager beim Schweinefleisch-Produzenten Faccsa-Prolongo in Malaga.

Kein anderes Land kauft so viel Schweinefleisch in der EU wie China. Im vergangenen Jahr exportierten die EU-Staaten 3,34 Millionen Tonnen Schweinefleisch-Produkte in die Volksrepublik, gut 60 Prozent mehr als 2019 und fast drei Mal so viel wie 2018.

Von Januar bis Juli 2021 liegen die Zahlen nur minimal unter dem hohen Vorjahresniveau. "Die ganze Branche geht davon aus, dass die Schweinefleisch-Produktion in China erst in vier Jahren wieder auf das frühere Niveau kommen wird", sagt Soler.

Schweineohren für China

Spanien ist für Fleischproduzenten nicht nur interessant wegen der nicht vorhandenen Schweinepest. Auch die Vorschriften der Behörden sind nicht so streng wie hierzulande. "Der Schweinefleisch-Markt in Spanien ist sehr attraktiv für uns und die politischen Rahmenbedingungen sind positiv", sagt Andre Vielstädte, Sprecher der Grossfleischerei Tönnies aus Rheda-Wiedenbrück.

Der Konzern, dessen Arbeitsbedingungen durch Corona-Ausbrüche im vergangenen Jahr heftig in Kritik gerieten, baut für 75 Millionen Euro eine neue Schlacht- und Verpackungsfabrik in der spanischen Kleinstadt Calamocha.

Sie soll 2023 in Betrieb genommen werden und bis zu 1000 Menschen Arbeit bieten. Künftig produzieren die Deutschen in Spanien dann Schweinerippchen für die USA, Schweinebäuche für Japan und Schweineohren für China.

"Tierschutz und Umweltschutz führen zu zusätzlichen Kosten und machen Investitionen erforderlich, die Landwirte in anderen Ländern oft nicht haben", erläutert der Tönnies-Sprecher.

Wie lange hält die Nachfrage an?

Viele Kommunen stellten Baugenehmigungen für Schweineställe nur noch sehr zögerlich aus. Gülle dürfe in manchen deutschen Regionen nicht mehr verwendet werden, weil es Beschwerden über zu hohen Ammoniakgehalt in der Luft gegeben habe.

Wie lange die europäische Fleischindustrie noch auf die hohe Nachfrage aus China setzen kann, ist offen. Vor den Ausbrüchen der Schweinepest importierten die Chinesen jährlich zwischen 1,5 bis 2,0 Millionen Tonnen, 2020 waren es 5,28 Millionen Tonnen.

Für dieses Jahr erwarten Experten 5,1 Millionen Tonnen. Sobald die Schweinepest im Griff sei und die Herden wieder grösser würden, werde China aber zu alter Stärke zurückfinden, sind sich Experten sicher.

"Ob wir unser derzeitiges Produktionsniveau dann halten können, hängt davon ab, ob wir neue Märkte erschliessen", sagt Soler von der Fleischerei Faccsa-Prolongo. "Das ist eine der grössten Herausforderungen für uns." 

(Reuters)