Seit Monaten wertet der Franken gegenüber dem Euro auf. Aktuell ist er auf dem besten Weg, die Marke von 1,06 zu unterschreiten. Das wäre das erste Mal seit Juli 2015. Die Gründe sind derzeit relativ klar auszumachen: Erstens herrscht trotz steigender Kurse weiterhin Unsicherheit an den Märkten. Anleger und Experten tun sich schwer, die Entwicklung und die langfristigen Folgen des Coronavirus abzuschätzen. Derzeit sieht es danach aus, dass das Virus die Weltwirtschaft noch eine Weile beschäftigen wird.

Kursentwicklung des Schweizer Frankens in den letzten 12 Monaten, Quelle: www.cash.ch.

Zweitens landete die Schweiz kürzlich wieder auf der Watchlist der USA. Dabei handelt es sich um eine Beobachtungsliste von Staaten, die sich in den Augen der USA der Währungsmanipulation schuldig machen oder gemacht haben. Den Amerikanern sind die Devisenmarktinterventionen der Schweizer Nationalbank (SNB) schon seit langem ein Dorn im Auge. Die SNB kauft seit Jahren Fremdwährungen (insbesondere Euro), um den Franken zu schwächen.

Swissmem schlägt Alarm

Die Folge, wie an den Märkten vermutet wird: Die SNB hält sich am Devisenmarkt vermehrt zurück und lässt dem Franken damit nach oben freien Lauf. Doch wie lange kann Sie noch zuschauen? Vor allem die exportorientierte Industriebranche sowie der Tourismus ächzen unter dem starken Franken.

Der Branchenverband der Schweizer Maschinen-, Elektro und Metallindustrie Swissmem äussert sich auf cash-Anfrage besorgt. Die Lage sei angespannt. Mit einem Kurs von heute 1,06 sei der Franken gegenüber dem Euro deutlich überbewertet, so Jean-Philippe Kohl, Vizedirektor und Leiter Wirtschaftspolitik bei Swissmem. "Dies schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Firmen im wichtigen EU-Markt zurzeit erheblich", so Kohl in einer E-Mail-Antwort an cash.

An die SNB hat Kohl eine klare Botschaft: Sie solle "alle sinnvollen Massnahmen einsetzen, um eine weitere Aufwertung des Frankens zu verhindern beziehungsweise den Franken gegenüber dem Euro zu schwächen". Welche Massnahmen dies sind, sei allerdings Sache der SBN, so Kohl.  

Tourismus bringt «viele Opfer»

Auch dem Tourismus macht der starke Franken zu schaffen. Das billige Ausland lockt die Gäste weg von der Hochpreisinsel Schweiz. "Wir beobachten die aktuelle Entwicklung des steigenden Franken mit Besorgnis", sagt Markus Berger, Sprecher von Schweiz Tourismus. Der gegenwärtige Kurs sei zu stark und mache der Branche das Leben schwer. "Es braucht viele Opfer, um noch wettbewerbsfähig zu bleiben", sagt Berger.  

Eine Bandbreite zwischen 1,10 und 1,20 wäre laut Berger Berger wohl ideal. Dennoch will er noch keinen Alarm schlagen. "Der Schweizer Tourismus hat gelernt, mit dem starken Franken umzugehen." Man sei daher zwar in Sorge "aber nicht in Panik". Daher stelle man auch keine aktiven Forderungen an die Politik oder die SNB.

Wann handelt die SNB?

Wie lange kann die SNB noch die Füsse stillhalten? In den letzten drei Monaten hat sie zuschauen müssen, wie der Franken von 1,10 um ganze vier Rappen auf derzeit nahe 1,06 abwertete. Laut Swissmem wird die Lage ernst, wenn die derzeitige Überbewertung sich noch weiter verschärfen sollte und über mehrere Monate anhalten sollte, so Kohl.

Der Wirtschaftsverband economiesuisse gibt sich etwas gelassener. "Die SNB hat in den letzten Jahren geldpolitisch ihre Hausaufgaben gut gemacht", sagt Michael Wiesner, Geschäftsleitung von economiesuisse, gegenüber cash. Ausserdem solle sie, wenn sie denn interveniert, dies "nicht auf Basis von politischen Forderungen oder aktuellen Begehrlichkeiten tun", so Wiesner. Doch auch für ihn gibt es bezüglich der Frankenstärke Grenzen. Wenn der Euro-Franken-Kurs Richtung Parität gehe, würde es problematisch werden.