Mit der Aussicht auf ein Ende der Pandemie steht die Inflation vor einem Comeback. Zwar ist der Preisauftrieb auf beiden Seiten des Atlantiks noch relativ gedämpft, doch wird sich dies bald ändern. Die Energiepreise werden gegenüber dem Vorjahr auf breiter Front anziehen, da die Pandemie im Frühjahr 2020 für einen Nachfrage-Einbruch gesorgt hatte. Hinzu kommen könnte ein Konsumrausch nach Abklingen der Krise, da viele Verbraucher im Lockdown notgedrungen ihr Geld zusammenhalten.

An den Finanzmärkten hat diese Erwartung die Anleihe-Renditen in die Höhe getrieben. Bei den richtungweisenden Staatsanleihen aus den USA und aus Deutschland lagen sie zeitweise so hoch wie zuletzt vor rund einem Jahr. Während mehrere EZB-Banker daraufhin Bereitschaft signalisiert haben, einem unerwünschten weiteren Rendite-Anstieg mit verstärkten Bond-Käufen entgegenzutreten, bleibt US-Notenbankchef Jerome Powell ähnliche Aussagen bislang schuldig. Die Entwicklung sei nicht "ungeordnet" und bedürfe daher keiner Intervention. Sein Haus halte am bisherigen Kurs fest. "Powell lässt den Markt Markt sein", resümiert Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. "Allerdings testet der Markt seine Standhaftigkeit."

Fed will alte Fehler vermeiden

Da die Euro-Zone noch länger konjunkturell unter den Folgen der Pandemie leiden dürfte als die USA, wird die Fed voraussichtlich früher umsteuern müssen als die Europäische Zentralbank (EZB). "Die Fed ist nicht zu beneiden", sagt Mark Dowding, Chef-Anleger des Vermögensverwalters BlueBay. Sollte sie zu lange an ihrer lockeren Geldpolitik festhalten, obwohl die Inflation steige und die Arbeitslosigkeit sinke, sei ihre Glaubwürdigkeit in Gefahr.

Die US-Notenbank hatte nach der Finanzkrise schon einmal Kapital verspielt. Zentralbank-Chef Ben Bernanke liess 2013 in einer Anhörung im Kongress beiläufig die Bemerkung fallen, die Fed könnte bei anhaltend positiven Wirtschaftsdaten ihre Wertpapierkäufe allmählich zurückfahren. Ein Beben an den Börsen war die Folge: das sogenannte "Taper Tantrum", eine Art Wutreaktion auf die Andeutung einer strafferen Geldpolitik.

Money, Money, Money

Mit ihren Geldspritzen hat die Fed mit dafür gesorgt, dass die Wall Street floriert, als ob es die Pandemie nie gegeben hätte. Dank der geballten Feuerkraft billionenschwerer Corona-Staatshilfen und des monatlich 120 Milliarden Dollar umfassenden Stützungsprogramms der Notenbank könnten die USA 2021 China beim Wachstum überholen.

"Wenn die Rakete des US-Präsidenten Joe Biden zündet, kann es sogar zu einer Überhitzung der US-Wirtschaft kommen", warnt der Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr. Ein solch massives Konjunkturprogramm würde seiner Ansicht nach nicht nur einen Boom in den USA auslösen, sondern auch die Inflation in Übersee befeuern. "Denn es würde auf den Weltmärkten für Preissteigerungen sorgen."

Ökonomin Shannon Seery von der US-Bank Wells Fargo geht zudem davon aus, dass in den USA im Zuge des Aufschwungs bis zu 2,5 Billionen Dollar in der Krise angesammelter Spargelder darauf warten, ausgegeben zu werden. Auch wenn ein Teil davon zur Begleichung von Schulden verwendet werden dürfte, könne die Konsumlust dazu führen, dass die gesteigerte Nachfrage die Preise nach oben treibe.

US-Zinserhöhung schon 2022?

Vor diesem Hintergrund erwarten manche Investoren eine erste US-Zinserhöhung bereits Mitte 2022 statt wie von der Fed bislang signalisiert gegen Ende 2023. Die US-Zinssitzung am 17. März könnte nach Einschätzung von Wells Fargo aber durchaus eine Nachjustierung beim Zinsausblick bringen. Mit 1,4 beziehungsweise 0,9 Prozent liegt die Inflation sowohl in den USA und der Euro-Zone noch weit von der Notenbanken-Wunschmarke von etwa zwei Prozent entfernt, sie steigt aber kontinuierlich.

Rainer Weyrauch, Manager der Fürst Fugger Privatbank, hält zwar kurzfristige Teuerungsraten von etwa drei Prozent für möglich. Eine vorzeitige Straffung der Geldpolitik erwarte er dennoch nicht. "Eine Lohn-Preis-Spirale wie in den 1980ern ist weit entfernt." Ausserdem könne sich wegen der gestiegenen Verschuldung kein Staat mehr hohe Zinsen leisten. Daher würden sich die Notenbanken dem sicher entgegenstemmen. "Wir erinnern uns: 'Whatever it takes...'." Mit diesen Worten gelang es dem damaligen EZB-Chef Mario Draghi im Sommer 2012 auf dem Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise die Anleihenmärkte zu beruhigen.

Euro-Zone blickt in Rücklichter der USA

Der Euro-Raum läuft momentan den USA hinterher. Bei den Wachstumsaussichten, bei den anlaufenden Impfungen und auch bei der Inflationsentwicklung sind die USA klar auf der Überholspur. Einen ersten Hinweis darauf, wie die Euro-Notenbank die Situation einschätzt, dürften die neuen Wirtschaftsprojektionen der EZB-Volkswirte auf der Zinssitzung am 11. März geben. Die Inflation war im Währungsraum zuletzt wieder gestiegen. Und viele Experten gehen davon aus, dass der Zug nach oben erst einmal anhält, sollte die Pandemie allmählich in den Griff bekommen werden. Raten von 1,9 Prozent Inflation im vierten Quartal werden als realistisch angesehen. Bis Ende 2021 dürfte die Rate sogar mindestens 2,5 Prozent erreichen, prognostiziert Chefökonom Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe.

"Diese Aufwärtsbewegung bei der Inflation in diesem Jahr wird weiterhin grösstenteils getrieben von vorübergehenden Faktoren", wendet Anatoli Annenkov, Volkswirt bei Societe Generale, ein. "Und die EZB wird, so wie wir, beschäftigt sein mit den mittelfristigen Auswirkungen der Pandemie auf den Arbeitsmarkt und dem verhaltenen Lohnwachstum." Der Druck in Richtung einer wieder strafferen Geldpolitik dürfte Experten zufolge zunächst für die Fed grösser sein als für die EZB.

Daher ist es kein Wunder, dass Ökonomen laut einer Reuters-Umfrage bis mindestens Mitte nächsten Jahres nicht mit einer Abkehr vom Null-Zins rechnen. Die jüngsten Äusserungen von EZB-Chefin Christine Lagarde deuten zudem darauf hin, dass die Währungshüter ihre Geldschleusen weit offen halten werden - auch um den jüngsten Anstieg der Renditen einzudämmen. Wer auf eine geldpolitische Wende setzt, muss daher zuerst über den Atlantik schauen.

(Reuters)