"Gegenwärtig halten wir den Erwerb von Anleihen für ein effektiveres und effizienteres Instrument, auch unter Berücksichtigung möglicher Nebenwirkungen", schrieb Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel bei einer Fragestunde auf dem Kurznachrichtendienst Twitter am Dienstag. "Aber unsere Erfahrungen mit negativen Zinssätzen sind positiv, und die Senkung der Zinssätze bleibt eine Option für die Zukunft." Sie antwortete dabei auf Fragen von Bürgern.

Die EZB hatte am vergangenen Donnerstag ihr Corona-Notkaufprogramm (PEPP) für Anleihen um 600 Milliarden auf 1,35 Billionen Euro ausgeweitet. Den Einlagesatz, zu dem Banken ihr Geld bei der EZB parken können, beliess sie allerdings bei minus 0,5 Prozent.

"Unsere Entscheidungen seit März 2020 haben der Realwirtschaft wichtige Unterstützung gegeben", so Schnabel. Die Notenbank wäre auch handlungsfähig, falls es zu einer zweiten Welle in der Corona-Krise komme. "Sollten sich die Bedingungen verschlechtern, verfügen wir über die notwendigen Instrumente, um auf alle Eventualitäten zu reagieren, wie wir es seit Beginn der Krise getan haben."

Die sehr lockere Geldpolitik sei wirksam und habe auch eine positive Wirkung auf die Entwicklung der Verbraucherpreise gehabt. "Doch strukturelle Faktoren wie die Globalisierung, ein geringeres Wachstum der Energiepreise und Veränderungen im Wettbewerb belasten die Inflation und erfordern von den Zentralbanken mehr Geduld", so Schnabel. In der Krise ist die Inflationsrate in Richtung der Nulllinie gefallen. Im Mai sind die Verbraucherpreise nur um 0,1 Prozent zum entsprechenden Vorjahresmonat gestiegen. Die EZB strebt auf mittlere Sicht eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent an.

(AWP)