Chefökonom Philipp Lane verteidigt die Projektionen zwar vehement und besteht darauf, dass die Modelle seiner Mitarbeiter zuverlässig und auf dem neuesten Stand sind. Doch mehrere Gouverneure warnen davor, sich in dem aktuellen unsicheren Umfeld zu sehr auf diese Prognosen zu verlassen, nachdem die Zahlen zur Teuerung die Erwartungen zuletzt immer wieder enttäuscht haben.
Diskussionen im Rat
Mehrere Mitglieder berichteten über diese Zweifel am Vorhersageprozess, als sie die Diskussionen im Rat zusammenfassten, die dem von Präsidentin Christine Lagarde in der vergangenen Woche überraschend angekündigten falkenhaften Kurswechsel vorausgingen. Die Ratsmitglieder sprachen unter der Bedingung, nicht namentlich genannt zu werden.
Die Teuerungsschätzungen der EZB vom 16. Dezember sind nach einem weiteren Anstieg der Energiepreise und zwei Rekordzahlen zur Inflation überholt. Im Januar haben die Verbraucherpreise im Euroraum um 5,1 Prozent zugelegt. Die jüngste EZB-Prognose ging für 2022 insgesamt von einem von Durchschnittswert von 3,2 Prozent aus.
Unter dem Zielwert von zwei Prozent
Verantwortlich für die Vorbereitung und Präsentation der EZB-Inflationsprognosen sowie Vorschläge zur geldpolitischen Reaktion ist Chefökonom Lane, der eher als Taube gilt. Wie zu hören ist, teilen im EZB-Rat nicht nur die typischen Falken aus Deutschland und den Niederlanden die Sorge, dass der Preisanstieg 2023 nicht unter dem Zielwert von 2 Prozent liegen wird.
Bei der Notenbanksitzung im März dürfte der Rat darüber befinden, wie schnell der Ausstieg aus den Bondkäufen erfolgen soll. Dabei stellt die Notenbank auch neue Inflationsschätzungen vor. Lagarde sagte am Montag, diese würden dem Rat helfen, die Auswirkungen der aktuellen Inflationswerte auf den weiteren Ausblick einzuschätzen.
Bereits am heutigen Donnerstag legt die Europäische Kommission neue Inflationsprognosen vor. Die von Bloomberg eingesehenen Prognoseentwürfe zeigen für 2023 einen erwarteten Anstieg der Verbraucherpreise um durchschnittlich 1,7 Prozent, nach 3,5 Prozent im Jahr 2022.
(Bloomberg)