Als Christine Lagarde am Freitag auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos erscheint, hat die EZB-Präsidentin eine Warnung im Gepäck: Die internationalen Investoren sollten nicht davon ausgehen, dass die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank auf absehbare Zeit vorab festgelegt sei, nur weil derzeit eine Strategieprüfung laufe.

"Denjenigen, die denken", dass sich die EZB-Politik "auf Autopilot befindet, das ist lächerlich", sagte Lagarde in einem Interview mit Bloomberg Television in dem schweizerischen Bergdorf. "Sehen wir uns die Fakten an. Schauen wir uns an, wie sich die Wirtschaft entwickelt."

Am Tag zuvor hatte Lagarde die erste Strategieprüfung der EZB seit 17 Jahren angekündigt. Voraussichtlich bis Dezember will die Notenbank ihre Inflationsziele und geldpolitischen Instrumente aber auch Themen wie ihre Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels unter die Lupe nehmen.

Analysten glauben nicht an Kurswechsel

Da sich die Wirtschaft in der Eurozone derzeit stabilisiert und die EZB erst im Herbst ein neues Stimulus-Programm aufgelegt hat, glauben wenige Analysten an einen baldigen Kurswechsel. Ökonomen gehen davon aus, dass die quantitative Lockerung mindestens bis Ende nächsten Jahres laufen wird und die Zinssätze bis Anfang 2022 auf Eis gelegt werden.

Lagarde hatte den Posten an der Zentralbank-Spitze im November übernommen, kurz nachdem ihr Vorgänger Mario Draghi noch in den letzten Wochen seiner Amtszeit ein Stimulus-Programm durchgesetzt hatte.

Im Bloomberg-Interview stellte Lagarde klar, dass der EZB-Rat unabhängig von der Strategiedebatte agieren werde, wenn er wie in der Vergangenheit auch alle sechs Wochen seine geldpolitischen Entscheidungen treffe. Vielmehr würden die geldpolitischen Entscheidungsträger dabei auf die aktuellen Wirtschaftsdaten reagieren.

"Denjenigen, die sagen, dass es für 12 Monate völlig statisch sein wird, sage ich: Aufgepasst, die Dinge können sich ändern", erklärte sie.

Verfehlen des Inflationsziel als Schlüsselfrage

Die EZB hatte am Donnerstag wenig Details dazu bekannt gegeben, welche Aspekte der Strategie sich die Mitglieder des Rates anschauen werden. Die Notenbank hatte lediglich gesagt, dass es eine weitreichende Überprüfung sein wird, die sich auf Themen wie Finanzstabilität und den Klimawandel fokussieren wird. Die Schlüsselfrage für die Notenbank wird jedoch sein, warum sie seit Jahren ihr Inflationsziel von unter, aber nahe der 2 Prozent verfehlt hat.

Lagarde sagte, sie habe zwar ihre eigene Meinung darüber, was geschehen müsse. Sie wolle aber keine Entscheidungen vorwegnehmen und schweige daher bisher zu diesen Themen.

"Ich bin mir bewusst, dass manche darüber enttäuscht sind, dass wir nicht mehr gesagt haben", sagte Lagarde im Bloomberg-Interview. "Aber eine strategische Überprüfung beginnt hier und endet dort, und man kann nicht hier schon sagen, was man dort tun wird. Sonst würde man keine strategische Überprüfung machen."

Lagarde wiederholte ihre Forderung, dass Regierungen mit fiskalischem Spielraum diesen nutzen sollten. Gleichzeitig erteilte sie Spekulationen eine Absage, Zentralbanken wie die EZB seien am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen. "Ich glaube nicht, dass die Zentralbanken ihre Instrumente ausgeschöpft haben", sagte sie.

(Bloomberg)