Laut dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warten die Unternehmen hierzulande jetzt auf ein klares Zinssignal der EZB. Ihre Hoffnung dürfte enttäuscht werden, sollte EZB-Chefin Christine Lagarde an der ausgegebenen Linie festhalten, dass eine Zinserhöhung 2021 sehr unwahrscheinlich sei. Einer aggressiven Gangart nach dem sich in den USA abzeichnenden Muster erteilte sie jüngst eine klare Absage.

"Trotz kritischer Stimmen erwarten wir, dass die EZB am Donnerstag nicht von dem im Dezember eingeschlagenen Kurs abweicht", sagt EZB-Beobachter Michael Schubert von der Commerzbank. Die Hüter des Euro sind mit einer Inflation von zuletzt 5,0 Prozent konfrontiert - der höchste Wert seit Beginn der Statistik 1997. Die Teuerungsrate liegt weit mehr als doppelt so hoch wie das Ziel der EZB, die mittelfristig eine Rate von 2,0 Prozent als optimalen Wert anpeilt.

Doch Lagarde und EZB-Chefvolkswirt Philip Lane setzen unbeirrt auf eine Entspannung an der Preisfront. Nach dem vom EZB-Stab entworfenen Szenario wird sich die Inflation 2022 stabilisieren und es schrittweise zu einem Rückgang der Teuerungsrate kommen. In den Folgejahren sei eine weitere Entspannung zu erwarten, da die Energiepreise nicht dauerhaft klettern dürften und sich auch die Materialengpässe nach und nach auflösten.

«Altes Mantra»

Lagarde dürfte sich nach Einschätzung des BayernLB-Ökonomen Roland Gnan an dieses "alte Mantra" halten: "Die erhöhte Inflation wird weiter als temporär bezeichnet werden, wenngleich die Aufwärtsrisiken – auch angesichts einer drohenden Omikron-Verbreitung in China mit Schäden für die Lieferketten – sicher zugenommen haben."

Die Lesart einer vorübergehenden Inflation wird intern im Führungskreis der EZB aber hinterfragt. Kritiker verweisen darauf, dass die Projektion für die Inflationsentwicklung in den Jahren 2023 und 2024 bereits dicht am Inflationsziel von 2,0 Prozent liege. Da man angesichts der schwer kalkulierbaren Risiken die Auftriebskräfte unterschätzen könne, sei gut und gerne ein Wert darüber möglich.

Lagarde hat deutlich gemacht, dass die Prognose und damit auch der geldpolitische Fahrplan der EZB nicht in Stein gemeisselt ist. Die EZB steuere nach Datenlage. Nun richtet sich der Blick auf die am Mittwoch hereinkommenden frischen Zahlen zu den Verbraucherpreisen. Vermutlich würden die Inflationssorgen nicht entscheidend gedämpft, befürchten die Volkswirte der Helaba. Lagarde müsse sich daher auf sehr kritische Fragen einstellen. Die Entschlossenheit der US-Notenbank Fed "im Gegensatz zur zögerlichen EZB" habe den Euro bereits unter Druck gebracht.

Euro unter Druck 

In den USA ist die Inflation den ebenfalls einem Zwei-Prozent-Ziel verpflichteten Währungshütern noch weiter enteilt: Mit 7,0 Prozent stiegen die Preise so rasant wie seit Anfang der 80er Jahre nicht mehr. Die Federal Reserve hat es somit eilig mit der Zinswende, die sie schon im März angehen dürfte. Ein wahres Stakkato an Erhöhungen wird wohl folgen. Die Bank of America geht mittlerweile von sieben Zinserhöhungen in den USA im laufenden Jahr aus.

Dadurch drohen laut Kritikern der EZB weitere Auswirkungen auf den Euro-Wechselkurs und die Inflation, die die Währungshüter in Frankfurt nicht aussitzen könnten. "Denn die höheren US-Zinsen ziehen Kapital in die Vereinigten Staaten und den Dollarkurs nach oben", erläutert DIHK-Experte Volker Treier. Eine ungünstige Euro-Kursentwicklung könne die "importierte Inflation" weiter anfachen.

Am Geldmarkt wird trotz aller gegenteiliger Äusserungen Lagardes für Ende des Jahres mit einer Anhebung gerechnet. Einstweilen dürfte die EZB den Leitzins am Donnerstag bei null und den Einlagesatz - eine Art Strafzins für das Horten von Geld bei der Notenbank - bei minus 0,5 Prozent belassen. 

(Reuters)