Die milliardenschweren Verluste mit dem Kunden Archegos Capital werden der Grossbank zu Jahresbeginn den wohl höchsten Quartalsverlust seit über vier Jahren einbrocken. Doch wenn Konzernchef Thomas Gottstein am Donnerstag die Geschäftszahlen für die ersten drei Monate präsentiert, kann er das Thema noch nicht abhaken. Denn es drohen weitere hohe Belastungen aus dem Archegos-Fall wie zusätzliche Kapitalanforderungen. Dazu kommen Kosten zur Bewältigung des Debakels rund um die Greensill-Fonds.

Verluste auf Kredite an den kollabierten US-Hedgefonds Archegos kosteten Credit Suisse bisher rund 4,4 Milliarden Franken. Anfang des Monats stellten die Zürcher deshalb einen Vorsteuer-Verlust von rund 900 Millionen Franken in Aussicht. Dass es nicht noch wesentlich schlimmer kam, hatte die Bank dem günstigen Umfeld zu verdanken. So bescherte der Börsenboom und billionenschwere Konjunkturhilfen der US-Regierung bereits den US-Geldhäusern zu Beginn des zweiten Corona-Jahres glänzende Geschäfte.

Auch Credit Suisse dreht im Kapitalmarkt-Geschäft ein grosses Rad. So gehört die Bank zu den führenden Häusern im boomenden Markt mit Börsenmänteln, sogenannten SPACs. Der um Archegos bereinigte Quartals-Vorsteuergewinn dürfte sich auf rund 3,5 Milliarden Franken belaufen und praktisch dem Wert des Gesamtjahres 2020 entsprechen. ZKB-Analyst Michael Kunz kann sich dies nur mit einer Ertragsexplosion im Investmentbanking erklären. Zudem dürfte eine geringere Risikovorsorge für faule Kredite geholfen haben. Entscheidend sei nun, dass es sich bei der starken operative Leistung nicht um eine Eintagsfliege handle. "Zudem stellt sich die Frage, ob es der Bank gelingt, die Investoren zu überzeugen, dass keine weiteren Tretminen in ihren Büchern schlummern."

Und selbst Archegos ist noch nicht ausgestanden. Insidern zufolge stiess Credit Suisse in Zusammenhang mit der Auflösung von Positionen des Hedgefonds auch im laufenden Quartal grosse Aktienpakete ab. Die Analysten von JP Morgan schätzen den Verlust aus diesen Transaktionen auf rund 400 Millionen Dollar. Unklar sei zudem, ob noch weitere Verkäufe folgten. Credit Suisse wollte sich dazu nicht äussern.

Kommt es zu breiten Abgängen?

Auch die Greensill-Affäre dürfte für Gottstein noch nicht ausgestanden sein. Wieviel die Not-Abwicklung der vier gemeinsam mit der zusammengebrochenen Greensill Capital betriebenen Fonds die Credit Suisse abschliessend kostet, dürfte sich frühestens in den kommenden Monaten herausschälen. Kürzlich deutete die Bank erstmals an, dass vom Gesamtvermögen der vier Lieferketten-Finanzierungsfonds von gut zehn Milliarden Dollar rund 2,3 Milliarden Dollar mit grösseren Unsicherheiten behaftet seien. Zwar seien die Fonds-Investoren die Geschädigten. Doch Experten gehen davon aus, dass die Bank solche Grosskunden nicht verlieren will und sich überlegt, mögliche Abwanderungs-Bewegungen mit Entschädigungen zu verhindern. Dazu kommt das Risiko von hohen Rechtskosten. So reichte eine US-Pensionskasse am Freitag Klage gegen Credit Suisse ein.

Auch die Regulatoren wie die Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) dürften eine Rechnung stellen. "Die Frage ist nicht, ob die Finma ihre Kapital-Anforderungen verschärfen wird, sondern um wie viel", erklärte Vontobel-Analyst Andreas Venditti. Die Verschärfung könnte Venditti zufolge bei der Credit Suisse schon im zweiten Quartal greifen und der Bank in kapitalhungrigen Bereichen Geschäft kosten. Die Finma wollte sich zu einem möglichen Kapital-Aufschlag nicht äussern.

Gefahr droht der Bank von einer weiteren Front. "Weitverbreitete Abgänge sind eine echte Sorge für das Management", sagte eine mit der Situation vertraute Person. Die Mitarbeiter hätten eben ihre Boni eingesteckt, sodass jetzt ein guter Zeitpunkt für einen Wechsel sei. Denn die künftige Entwicklung des Investmentbankings der Credit Suisse sei ungewiss. Gottstein hatte in einem Interview bereits Risiko-Reduktionen im Investmentbanking in Aussicht gestellt. Die Strategie-Frage dürfte weit oben auf der "To Do"-Liste von Lloyds-Chef Antonio Horta-Osorio figurieren, wenn er Ende April Verwaltungsrats-Präsident wird.

(Reuters)