Auf den Strassen von Tel Aviv ist der Verkehr zurück. Aufzüge werden voller. Lieblingslokale zum Mittagessen sind gut besucht.
Israels Impfkampagne war superschnell. Das Lands lieferte Wirksamkeitsdaten für Impfstoffe in Echtzeit und testete Impfpässe. Die Erfolge dort erlauben nun Einblicke, wie das Leben nach dem Coronavirus aussehen könnte und Arbeitgeber wie Arbeitnehmer auf der ganzen Welt schauen gespannt nach Tel Aviv in der Hoffnung auf Erkenntnisse, was in einem Land passiert, wenn es die Pandemie hinter sich lässt.
Das Ende der Lockdowns scheint den Schalter umgelegt zu haben für das Arbeitsleben im Büro. Die Nachfrage nach Flächen steigt nach Angaben des Maklerhauses Natam Group auf breiter Basis. Die israelischen Gebäude des Bürovermieters WeWork werden seit Februar 20 Prozent mehr frequentiert und es besteht starke Nachfrage nach neuen Abschlüssen. Mobilitätsdaten von Google zeigen einen kräftigen Anstieg von Pendlern in Tel Aviv im April auf annähernd das Niveau von vor der Krise.
Teamgeist wiederbeleben
Nir Minerbi, CEO des Quantencomputerunternehmens Classiq Technologies merkte schon im Dezember, dass sich die Dinge wieder ändern, als er erfolglos versuchte, seinen wegen des ersten Lockdowns rabattierten Vertrag mit WeWork zu verlängern. Im Büro zu sein sei letztes Jahr wie "auf einem Friedhof" gewesen, so Minerbi. Nun will er den Teamgeist in seiner Mannschaft durch persönliche Kontakte wiederbeleben und sucht nach einem Büro, das er langfristig mieten kann.
Während Covid-19 in Indien weiter wütet und die Fälle weltweit weiter steigen, machen Länder mit hohen Impfraten ihre Schritte Richtung Wiedereröffnung. Australien und Neuseeland haben Covid-19 recht erfolgreich in Schach gehalten, obwohl viele Büroangestellte dort vorerst weiterhin zu Hause bleiben.
In Grossbritannien ist Arbeiten von zu Hause aus bis mindestens zum 21. Juni weiterhin empfohlen, dennoch waren laut Morgan Stanley Research im April rund 42 Prozent der Büromitarbeiter schon wieder an ihren Schreibtischen. New York will viele Einschränkungen demnächst aufheben. Die grossen Banken in den USA wollen ihre Mitarbeiter in die Büros zurückzuholen.
Tel Aviv gibt einen Einblick
Tel Aviv erlaubt bereits einen Einblick, wie Arbeiten in Wirtschaftszentren bald aussehen könnte.
"Es gibt einen grossen Aufschwung", sagte Dotan Weiner, Chief Operating Officer bei Labs, einem Anbieter flexibler Büroräume des israelischen Milliardärs Teddy Sagi, in einem Interview. "Unternehmen sagen uns, dass es ohne Büro schwieriger ist, neu einzustellen und die Unternehmenskultur aufrechtzuerhalten."
Laut Weiner liegt die Belegung der Büros von Labs in Israel nun wieder bei über 95 Prozent, nach 15 Prozent im Tief während des ersten Lockdowns 2020 und 40 Prozent beim zweiten. Weiner kam fünf Minuten zu spät zum Interview, weil die Aufzüge so voll waren. Labs will seinen Angaben zufolge in den nächsten zwei Jahren zwei weitere Standorte in Tel Aviv eröffnen.
Labs betreibt auch zwölf Gebäude in London, und Weiner ist ähnlich optimistisch für die Aussichten dort. In der britischen Haupstadt dürfte die Rückkehr in die Büros jedoch langsamer als in Tel Aviv verlaufen, da der öffentliche Nahverkehr noch gemieden wird.
Auch Grossbritannien will Ende Juni vollständig öffnen
Grossbritannien hat den Weg Israels durch die Pandemie weitgehend nachvollzogen - mit einigen Wochen Verzögerung - und mit niedrigen Corona-Fallzahlen und einer hohen Impfrate scheint das Königreich auf Kurs, seine Wirtschaft Ende Juni wieder vollständig öffnen zu können.
Trotzdem müssen viele Unternehmen selbst in Israel das Verhältnis zwischen Arbeit von zu Hause aus und im Büro noch austarieren.
Bei Check Point Software Technologies , einem der grössten Arbeitgeber des Landes, hat sich zuletzt die Zahl der physisch Anwesenden der 2.400 Beschäftigten am Hauptsitz in Tel Aviv auf rund 35 Prozent verdoppelt, so Nirit Schneider, Leiter Immobilien und Betrieb. Die meisten teilen ihre Arbeitswoche inzwischen auf.
Mehr als die Hälfte der Belegschaft des Cyber-Security-Giganten arbeitet ausserhalb Israels, wo Check Point versucht, Mietverträge zu verkürzen und Büroarbeitsplätze in Besprechungsräume umzuwandeln. Der persönliche Kontakt sei inzwischen der Hauptgrund, ins Büro zu kommen, so Schneider. Manche Anbieter von Büroflächen bieten ihren Kunden mehr Flexibilität, da viele Unternehmen noch wissen nicht, wie genau sie ihre Immobilienstrategie ausgestalten wollen.
Nir Minerbi von Classiq weiss, dass einige seiner Mitarbeiter immer noch vor der Pandemie Angst haben. "Die Menschen wollen keine überfüllten Büros mehr", sagte Minerbi. "Selbst wenn es nicht 100 Prozent voll ist, möchten einige unserer Mitarbeiter einen Ort, an dem sie das Gefühl haben, noch atmen zu können."
(Bloomberg)