Chinas Immobilienboom hat den Grundstücksverkauf bisher zu einem immer lukrativeren Geschäft für die öffentliche Hand gemacht. So kletterten die Einnahmen aus Bauland-Auktionen 2020 auf umgerechnet rund 1,1 Billionen Euro (8,4 Billionen Yuan), was in etwa der Wirtschaftskraft Australiens entspricht.

Gerade im Pandemie-Jahr 2020 war der Verkauf von Grund und Boden eine wichtige Finanzquelle für Städte und Regionen der Volksrepublik. Doch das "easy money" droht zu versiegen, weil die Pekinger Führung die Kreditvergabe an private Immobilienfirmen einschränkt.

Der Effekt zeigt sich bei Auktionen, wenn immer öfter selbst Grossstädte auf Bauland sitzen bleiben. Hält der Trend an, müssten Kommunen sparen - oder sich selbst höher verschulden.

"Allgemein machen Grundstücksverkäufe in China mit mehr als 20 Prozent einen grossen Teil der Einnahmen von örtlichen Regierungen aus", sagt Betty Wang, führende China-Volkswirtin bei der Bank ANZ in Hongkong.

«Haushalte geraten unter Druck»

"Wenn dieses Geschäft langsamer wächst oder schrumpft, geraten die Haushalte unter Druck." Genau einen solchen Trend prognostiziert die Ratingagentur Moody's: Nachdem die Grundstücksverkäufe 2020 um 16 Prozent zugelegt haben, werden sie dieses Jahr nur noch um einen niedrigen einstelligen Bereich steigen und 2022 zurückgehen.

Der Trend könnte die öffentliche Hand dazu veranlassen, mehr Anleihen auszugeben, so Moody's. Doch damit steige das Risiko von Kreditausfällen bei ohnehin schon hoch verschuldeten Kommunen und Regionen.

Diese Gefahr sehen die Bonitätswächter beispielsweise bei der Millionenmetropole Tianjin östlich von Peking und der an Nordkorea grenzenden Region Liaoning.

Wie es dort um das Interesse an Boden bestellt ist, zeigt eine Analyse einer noch bis Ende Oktober laufenden Auktionsrunde: Seit dem Startschuss für die Versteigerungen im Juni sind in Tianjin 40 von 61 Flurstücken unter den Hammer gekommen, in der Provinzhauptstadt von Liaoning, Shenyang, waren es 19 von 46.

Evergrande kaufte im Juni genau ein Baugrundstück

Tianjin und Shenyang gehören zu den 22 grössten Städten Chinas, für die die Behörden strengere Regeln für Grundstückauktionen erlassen haben.

In diesen Top-22 haben nach einer Auswertung von 1000 öffentlichen Bekanntmachungen bis Ende September rund 40 Prozent der inserierten Parzellen keine Käufer gefunden oder wurden bereits von der Angebotsliste gestrichen.

Die Ausfallquote in der vorhergehenden Auktionsrunde von März bis Juni hatte noch bei lediglich fünf Prozent gelegen. Die Aufsicht erlaubt nur noch drei Versteigerungsrunden pro Jahr und hat zudem die Höchstgebote gedeckelt.

Dabei halten sich die wegen der stärker reglementierten Kreditvergabe klammen Privatinvestoren ohnehin zurück.

So hat der kriselnde Immobilienriese Evergrande der Statistik zufolge im Juni gerade Mal ein Grundstück ersteigert, obwohl der Konzern eigentlich gerade im Regionalgeschäft stark vertreten ist. Evergrande reagierte nicht auf eine Bitte um Stellungnahme.

Offerten von Staatskonzerne sinken

Zwar springen Staatskonzerne in Grenzen ein, wie ein üppiges Gebot der China Railway Construction für 15 Grundstücke in der Metropole Chengdu zeigt. Doch insgesamt ist das Volumen der Offerten öffentlicher Unternehmen in der laufenden Versteigerungsrunde im Vergleich zur Frühjahrs-Auktion um 45 Prozent gesunken.

Der Wert des in der gesamten Volksrepublik verkauften Bodens brach im August um 17,5 Prozent ein, wie eine Auswertung von Daten des Pekinger Finanzministeriums ergab. Das ist der grösste Rückgang seit Februar 2020, als China sich auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie befand.

Der Vorstoss der chinesischen Regierung, die Immobilienbranche an die Kandare zu nehmen und das Schuldenrisiko in dem Sektor in den Griff zu bekommen, zeigt also fernab der Hauptstadt unerwünschte Nebenwirkungen.

Dabei hat gerade die Ansteckungsgefahr für die Gesamtwirtschaft durch das Schuldendebakel bei Evergrande bereits zahlreiche Volkswirte dazu veranlasst, ihre Wachstumsprognosen für China 2021 herunterzuschrauben. 

(Reuters)