Thyssenkrupp erteilte der Übernahme-Offerte des britischen Konzerns am Mittwochabend eine Absage. Die Vorstellungen beim Preis und der Finanzierung lägen zu weit auseinander, begründete Thyssenkrupp-Finanzchef Klaus Keysberg die Entscheidung. Der Traditionskonzern will das Stahlgeschäft nun in Eigenregie auf Vordermann bringen. Damit rückt das Thema Stellenstreichungen wieder in den Vordergrund. Der Vorstand hat bereits angekündigt, dass es nicht beim geplanten Abbau von 3000 Jobs bleiben könne. Die Gewerkschaft IG Metall, die dem Liberty-Angebot skeptisch gegenüber gestanden hatte, forderte erneut eine finanzielle Unterstützung des Konzerns durch den Staat.

Die beiden Stahlkocher hätten zusammen den zweitgrössten Branchenriesen in Europa hinter ArcelorMittal Europe geschmiedet. Die Branche leidet seit Jahren unter Überkapazitäten, Billigimporten aus Fernost und immer schärfer werdenden Klimaschutzauflagen, die Corona-Krise kam dann noch hinzu. Doch die Stahlsparte spürt wieder Rückenwind: Im ersten Quartal schrieb sie schwarze Zahlen und steht auf einmal wieder als Gewinnbringer da. "Das Stahlgeschäft von Thyssenkrupp bedarf der Neuaufstellung und der Adjustierung", betonte die Krupp-Stiftung, Thyssenkrupps grösster Einzelaktionär. Es sei keine Zeit zu verlieren.

Bundesregierung hält sich zurück

IG Metall-Vorstand Jürgen Kerner begrüsste, dass in Sachen Liberty nun Klarheit herrsche. "Jetzt müssen alle Ressourcen und Energien darauf verwandt werden, den Stahlbereich zukunftsfähig aufzustellen." Mit dem vor einem Jahr beschlossenen Tarifvertrag 2030 gebe es eine gute Grundlage. "Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass es angesichts des immensen Investitionsbedarfs ohne eine substanzielles Engagement des Staates im Sinne einer Brückenfinanzierung nicht gehen wird." Es müsse ein klares Bekenntnis von Seiten des Landes NRW oder des Bundes für die Zukunft des Stahls geben. Kerner ist auch stellvertretender Aufsichtsratchef der Thyssenkrupp AG.

Die Bundesregierung hielt sich zurück und wollte die Absage von Thyssenkrupp an Liberty nicht kommentieren. "Das Bundeswirtschaftsministerium ist weiterhin im Austausch mit der Stahlbranche und den Sozialpartnern zu dem im Juli 2020 vorgelegten Stahlkonzept und dem sich hieran anschliessenden Umsetzungsprozess."

Auf und Ab beim Aktienkurs

Mit der Entscheidung schlug Thyssenkrupp am Donnerstag die Anleger zunächst in die Flucht. Später drehte das Papier ins Plus, ehe es wieder abrutschte. Die Absage an Liberty zeige bei Thyssenkrupp auch eine Position der Stärke, sagte ein Händler. Einige Experten hatten davor gewarnt, die Stahlsparte - das Herz und Symbol des über 200 Jahre alten Ruhrkonzerns - unter Wert zu verkaufen. Auch das Management war in den vergangenen Tagen immer selbstbewusster aufgetreten und auf Distanz zu Liberty gegangen. Finanzvorstand Keysberg begründete die Absage mit den Worten: "Zum einen lagen die Vorstellungen zu der Bewertung des Geschäftes zu weit auseinander. Zum anderen standen Fragen zur Finanzierungsstruktur und damit Sicherheiten im Raum, für die wir am Ende keine gemeinsame Lösung gefunden haben."

Die Konsolidierung der Schwerindustrie in Europa dürfte früher oder später wieder auf die Tagesordnung kommen. Tata Steel Europe ist daran ebenso interessiert wie die schwedische SSAB-Gruppe oder Liberty. Der britische Konzern und sein Gründer Sanjeev Gupta wollen am Ball bleiben. "Wir haben die Gespräche zu diesem Zeitpunkt beendet, weil die Preisvorstellungen zu weit auseinander liegen. Aber wir halten die Tür für weitere Gespräche offen. Wir glauben, dass wir die Bewertungslücke zu gegebener Zeit beseitigen können." 

(Reuters)