Wie aus den am Donnerstag veröffentlichten Protokollen der Sitzung des EZB-Rats vom März hervorgeht, wurde intern über die Bedingungen für eine Anhebung diskutiert. Dabei wurde argumentiert, dass die Voraussetzungen dafür weitgehend erfüllt oder sehr nahe daran seien. Eine grosse Zahl von Währungshütern sprach sich für umgehende weitere Schritte Richtung geldpolitischer Normalisierung aus.

Dazu passen jüngste Äusserungen von Notenbankern: Aus Sicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel könnte die EZB schon rasch die Zinswende einleiten: "Das, was wir jetzt sehen am aktuellen Rand, deutet darauf hin, dass möglicherweise auch der Sparer sich bald wieder über höhere Zinsen freuen kann", sagte er in der ARD. Mehrere Währungshüter haben den September als Termin dafür ins Gespräch gebracht.

Der Leitzins liegt aktuell auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Der Einlagensatz, eine Art Strafzins für das Horten von Geld bei der Zentralbank, beträgt minus 0,5 Prozent. In einer Reuters-Umfrage unter Ökonomen erwarten 31 Teilnehmer, dass dieser erst im vierten Quartal erhöht wird. Zehn Befragte gehen davon aus, dass es bereits im Sommer-Quartal dazu kommt. Und zwölf Fachleute rechnen mit keiner Änderung.

Christine Lagarde positiv auf das Corona-Virus getestet

Befeuert durch einen Energiepreisschub infolge des Ukraine-Krieges war die Inflation im Euroraum im März auf 7,5 Prozent gestiegen. Die EZB peilt mittelfristig 2,0 Prozent an. Sie trifft sich am kommenden Donnerstag zu ihrer nächsten Sitzung. Präsidentin Christine Lagarde  ist nach eigenen Angaben zwar positiv auf das Corona-Virus getestet worden, doch gebe es keinen Auswirkungen auf das Arbeiten der EZB. Die Französin will vorerst von zu Hause aus in Frankfurt arbeiten, bis sie vollständig genesen ist.

Auf der Sitzung muss die EZB den Kurs in Zeiten des weiter andauernden Ukraine-Krieges abstecken. Die Währungshüter wollen nach bisherigen Planungen im Sommer ihre milliardenschweren Anleihenkäufe beenden, wenn es der Inflationsausblick erlaubt. Das Abschalten des Anleihen-Programms gilt als Vorzeichen für eine Zinswende, die "einige Zeit" danach eingeleitet werden soll. Mehrere Währungshüter dringen darauf, dass dies zügig erfolgen soll.

Die Folgen des Ukraine-Krieges erschweren aber die Entscheidungsfindung der EZB. Die hohen Energiepreise und die weitreichenden westlichen Sanktionen gegen Russland lasten auf dem Wachstum. Laut EZB-Vizechef Luis de Guindos steht der Euro-Zone auf kurze Sicht eine Konjunkturflaute ins Haus, auch wenn er keine Rezession für 2022 erwarte. Dies sehen auch die von Reuters befragten Ökonomen so: Die Gefahr einer Rezession für das Gesamtjahr wird im Mittel auf 30 Prozent taxiert.

(Reuters)