Die zentrale Erfolgsbotschaft des Europa-Besuchs von US-Präsident Joe Biden hatte das Weisse Haus schon vor seinem Abflug ausgegeben: Biden würde die Europäer beim G7- und Nato-Gipfel auf den Kurs einer harten China-Politik bringen. Als die Abschlusserklärungen beider Gipfel dann deutliche Worte gegenüber China enthielten, wurde dies als Vollzug verkauft. Doch am Ende gibt es nach Ansicht europäischer Diplomaten zwei Lesarten der Gipfel.

"Keine Frage, alle haben sich gefreut, dass Biden und nicht mehr Donald Trump hier war", sagt ein hoher Diplomat zu Reuters. Deshalb habe man das gemeinsame Interesse gehabt, die Botschaft 'Die USA sind als Partner zurück' zu verbreiten. Gelobt wird vor allem in Osteuropa Bidens klares Bekenntnis zur Nato.

"Wer sich einen Moment vorstellt, wie alles mit Donald Trump abgelaufen wäre, weiss, welch ein Erfolg diese Tour war", sagt auch der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Johann Wadephul zu Reuters.

"Biden hat in bester transatlantischer Tradition ein glaubwürdiges Bekenntnis zur Zusammenarbeit mit Europa abgegeben." In Brüssel wird auf den riesigen Fortschritt verwiesen, dass die EU und die USA sich nicht mehr mit gegenseitigen Strafzöllen überziehen wollen. Der Westen rückt näher zusammen - aber nicht unbedingt auf US-Linie.

Denn unterhalb der Harmonie-Ebene bleiben nach dem Gipfel-Reigen Differenzen. "Zum einen sind die USA nicht hundertprozentig anders als unter Trump", sagt ein EU-Diplomat und verweist auf Bidens Corona-Politik. "Zum anderen kippen wir Europäer nun nicht einfach unsere Politik über Bord, weil ein neuer US-Präsident kommt." Das hat sich beim Biden-Besuch vor allem an drei Punkten gezeigt.

Nord Stream 2

Auch Biden hatte sich sehr kritisch über das Pipeline-Projekt geäussert. Aber seit Wochen heisst es in der deutschen Diplomatie, dass die US-Regierung das Projekt nicht als so vorrangig ansehe, weil man die Partnerschaft mit Deutschland nicht aufs Spiel setzen wolle.

Auch beim bilateralen Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel am Rande des G7-Gipfel erreichte Biden nicht, dass die Deutschen von dem Milliarden-Projekt abrücken. Merkel versprach, sich für die Rolle der Ukraine als Gastransitland engagieren zu wollen.

China

Sowohl die G7 als auch die Nato haben ihre Sprache gegenüber China verschärft. "Ohne eine gemeinsame China-Strategie werden beide scheitern", erklärt dies CDU-Aussenpolitiker Wadephul. Klima und China seien die Megathemen der kommenden Jahrzehnte - aber einig sei man sich nur beim ersten Thema.

Tatsächlich verdeckt die mediale Konzentration auf die Kritik an Peking in den nicht-bindenden Gipfel-Erklärungen, dass die Europäer keineswegs gewillt sind, auf den US-Konfrontationskurs gegen China einzuschwenken.

Italien erlaubte dem Mobilfunkunternehmen Vodafone gerade, Produkte des chinesischen Herstellers Huawei in das 5G-Mobilfunknetz einzubauen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erwähnte China in seinem Vortrag bei der Nato nach Teilnehmerangaben nicht einmal.

Merkel betonte nach dem Nato-Gipfel, dass man es nicht übertreiben dürfe. "China ist Rivale in vielen Fragen, aber China ist auch Partner in vielen Fragen", sagte sie. Man sei sich einig, China für Menschrechtsverletzungen zu kritisieren, heisst es in Berlin. Aber Deutschland werde den Ansatz eines möglichst breiten Austausches mit China nicht aufgeben.

"Wir werden in Europa unsere eigene Russland- und China-Politik machen", stellt auch der aussenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, klar. "Komplette Abschottung zu China ist weder realistisch noch sinnvoll, wenn es beispielsweise um den Klimaschutz geht", sagt Nouripour zu Reuters. Dennoch sei es gut, dass sich Biden im Gegensatz zu seinem Vorgänger um eine Abstimmung der Politik mit Europa bemüht habe.

Impfstoffe

Mit einem anderen Vorstoss war Biden bereits vor seiner Abreise gescheitert: Er hatte gefordert, dass die Pharmafirmen ihre Patente auf Corona-Impfstoffe freigeben sollten. Dies war vor allem in der Bundesregierung auf deutliche Gegenwehr gestossen, weil man dort froh ist, mit dem Mainzer Unternehmen BioNTech wieder einen Weltmarkt-Führer beim Thema Impfstoffe zu haben.

In der G7-Erklärung findet sich nur der Hinweis auf freiwillige Lizenzierungen und die Förderung einer Impfstoffproduktion etwa in Afrika Und für die Ankündigung einer Impfstoff-Spende von 500 Millionen Dosen an ärmere Länder ernteten die USA bei G7 nur mitleidiges Lächeln der Europäer.

Die US-Regierung habe ihre "America first"-Politik erst geändert, als genügend Impfstoff für die eigene Bevölkerung vorhanden war, wurde betont. Merkel rechnete vor, dass allein Deutschland über die internationale Impfstoff-Initiative Covax 350 Millionen Impfdosen für Entwicklungsländer bezahle.

(Reuters)