Es gehörte bereits im letzten Jahr zu den heissesten Themen an der Wall Street. Doch 2021 scheint der Hype fast zu überkochen: Die Rede ist von "Special purpose acquisition companies", kurz SPAC. Eine sperrige Abkürzung für leere Mantelgesellschaften, die Geld auftreiben, um damit an die Börse zu gehen und danach erst nach (Firmen-)Übernahmezielen Ausschau zu halten. So wird Unternehmen quasi der Börsengang durch die Hintertür ermöglicht (siehe auch Kasten unten)

Das Volumen in diesem Geschäft ist im jungen 2021 (Stand 11.02.) bereits halb so hoch wie im gesamten letzten Jahr (siehe Grafik unten). Ein grosser Player im Geschäft ist derzeit Chamath Palihapitiya, ein kanadisch-amerikanischer Unternehmer und Gründer des Investmentunternehmens Social Capital. Er zog bereits sechs solcher SPAC auf und sammelte damit laut Bloomberg insgesamt 4,34 Milliarden Dollar ein. Seine Mantelgesellschaften kauften schliesslich Unternehmen in den Bereichen Weltraumtourismus, Krankenversicherung, Finanzwesen und Immobilien.

SPAC-Volumen in den Jahren 2011 - heute (11.02.21)

Quelle: Bloomberg

Für die Gründer sind SPAC ein äusserst lukratives Geschäft. Wird ein Unternehmen aufgekauft und an die Börse gebracht, gehen in der Regel 20 Prozent der Aktien an die SPAC-Gründer. Auch in Schweiz bekannte Persönlichkeiten mischen im boomenden SPAC-Geschäft mit. So ist Ex-UBS-Chef Sergio Ermotti Chairman der britischen Blankocheck-Firma – so werden SPAC auch genannt, weil den Aktionären zunächst verborgen bleibt, was mit deren Geld gekauft wird - Investindustrial Acquisition.

Auch der ehemalige CS-CEO Tidjane Thiam ist im Geschäft mit SPAC dabei, wie unlängst berichtet wurde: Thiam wolle über die Gesellschaft 250 Millionen Dollar aufbringen, um sie in Finanzfirmen in hoch entwickelten Ländern und Entwicklungsländern zu investieren. Auch Ex-Commerzbank-Chef Blessing plant ein Finanz-SPAC in Europa.

Kritik wird lauter

Das Ausmass des SPAC-Hypes hat bereits erste warnende Stimmen hervorgerufen. Strategen von Goldman Sachs sehen beim SPAC-Boom Anzeichen eines "nicht nachhaltigen Exzesses am US-Aktienmarkt." Zuletzt hat Goldman-Sachs-Chef David Solomon vor einer bevorstehenden Bereinigung gewarnt. Zwar hält Solomon SPAC an sich für eine gute Innovation, doch ihm bereite das schnelle Tempo der Verbreitung Sorge. Zudem führen diese Börsengänge im Schnellverfahren dazu, dass mangels geringerer Prüfungen Unternehmen an die Börse geraten, die dort eigentlich nicht hingehören.

Das Beispiel Nikola Motor hat dies exemplarisch gezeigt. Die Wasserstoff-Hoffnung aus den USA geriet mittels eines Börsenmantels 2020 an die Börse. Der Kurs der Aktie wurde nach oben getrieben, obwohl das Unternehmen, welches irgendwann einmal wasserstoffbetriebene Trucks verkaufen will, bis heute noch keinen einzigen Cent verdient hat. Auf den Hype folgte ein schneller und schmerzhafter Absturz der Aktie.

Was ist ein SPAC?

Ein SPAC ist zunächst nur eine leere Unternehmenshülle, die an der Börse gelistet ist. Ein oder mehrere Initiatoren sammeln dafür vorher Geld bei Investoren ein, mit dem Versprechen, damit auf die Suche nach einem Unternehmen zu gehen. Dieses wird dann übernommen, auf das SPAC verschmolzen und damit - quasi über eine Abkürzung - an die Börse gebracht. Oft kommen bei diesem sogenannten "De-SPAC-ing" weitere institutionelle Investoren an Bord. Die SPAC-Investoren wissen vorher nur, aus welcher Branche das Zielobjekt stammen soll.

Was bringt das?

Für die Unternehmen, die sich von einem SPAC schlucken lassen, und ihre Eigentümer kann das ein effizienter, schneller Weg an die Börse sein. Sie müssen sich nicht selbst um Investoren bemühen, was gerade in Corona-Zeiten schwierig sein kann, und kürzen den langwierigen Genehmigungsprozess der US-Börsenaufsicht ab. Für die SPAC-Investoren ist es eine Art Wette auf das Geschick der Initiatoren - oft selbst Geschäftsleute mit Branchenerfahrung oder Investmentbanker -, Übernahmeobjekte zu finden, die zu einer möglichst grossen Wertsteigerung führen.

Gibt es Alternativen?

Bis vor etwa einem Jahrzehnt waren leere "Börsenmäntel" in Deutschland populär. Börsenkandidaten schlüpften - ähnlich wie bei einem SPAC - in diese Mäntel, die zumeist die Überreste von insolventen Unternehmen waren. Sie profitierten zudem von den Verlustvorträgen, die die Vorgängerfirmen angesammelt hatten und mit denen sie ihre Steuerlast reduzieren konnten. Inzwischen hat der Gesetzgeber die Verlust-Verrechnung stark eingeschränkt. Zudem können sich Firmen einfacher von der Börse zurückziehen, so dass keine Börsenmäntel mehr übrigbleiben. Wer heute schnell an die Börse gehen und nicht auf ein SPAC zurückgreifen will, kann ein Direktlisting (direct listing) versuchen. Dabei umgeht das Unternehmen den komplexen und teuren Bookbuilding-Prozess und lässt seine Aktien einfach zum Handel an der Börse zu. Dann haben die Investoren die Möglichkeit, ihre Anteile zu verkaufen oder neue zu kaufen. Investmentbanken, die sonst bei der Suche nach Anlegern helfen, spielen dabei nur eine Nebenrolle. Attraktiv ist das vor allem für Start-ups, bei denen Frühphasen-Investoren auf einen Ausstieg drängen. Frisches Geld kommt dabei aber nicht in die Kasse, und ohne einen gewissen Bekanntheitsgrad, der neue Aktionäre anlockt, ist das Direct Listing riskant. Bekanntestes Beispiel ist der schwedische Musik-Streaming-Dienst Spotify.

(Reuters)