Die Ursachen für die Jobkrise und Inflation sind heute zwar nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie anders als damals. Doch dürften im Weissen Haus wenige Monate nach dem Amtsantritt von Präsident Joe Biden die Alarmsirenen schrillen, zumal die von billionenschweren Konjunkturspritzen ausgelösten Wachstumsfantasien vergangenen Monat durch maue Wirtschaftsdaten gedämpft wurden: "Wenn es noch so einen Monat wie den April gibt, besteht Anlass zur Sorge", warnt Chefökonom Gregory Daco vom Analysehaus Oxford Economics.

7,5 Millionen Jobs fehlen

Noch immer fehlen gegenüber der Zeit vor Ausbruch der Coronakrise rund 7,5 Millionen Jobs. Wenn es weiter nur schleppende Fortschritte beim Stellenaufbau wie im vergangenen Monat geben sollte, könnte es noch Jahre dauern, bis der Jobmarkt sich erholt hat: Dabei stehen schon im November 2022 die Zwischenwahlen zum US-Kongress an, bei denen es für Bidens Demokraten darum geht, ihre Mehrheiten in beiden Parlamentskammern zu halten.

Als abschreckendes Beispiel dürfte Biden das politische Schicksal eines seiner Vorgänger vor Augen stehen: Der zu Beginn seiner Amtszeit in der zweiten Hälfte der 70er Jahre von einer Welle der Popularität getragenene demokratische Staatschef Jimmy Carter musste letztlich 1980 bei den Präsidentenwahlen eine krachende Niederlage einstecken - auch, weil er Inflation und Arbeitslosigkeit nicht in den Griff bekommen hatte.

Auch wenn die Konjunktur wieder Fahrt aufgewonnen hat, sind die USA von Vollbeschäftigung noch meilenweit entfernt. Der Aufholprozess hatte sich im April deutlich verlangsamt. Statt der erhofften rund eine Million Jobs entstanden nur 266.000. Auch der Mai könnte in dieser Richtung eine Enttäuschung bringen. Das im Personalwesen tätige Unternehmen UKG warnt vorsorglich vor überzogenen Erwartungen an die Jobdaten: "Wir sollten uns auf einen weiteren Monat mit einem eher moderaten Stellenaufbau einstellen", sagt UKG-Vizepräsident Dave Gilberston. Es könne sogar bis Ende September dauern, bis der Arbeitsplatzaufbau richtig Fahrt aufnehme und die Bürger die Krise allmählich abzuhaken begännen.

Schreckgespengst Inflation

Neben Arbeitsplatzsorgen lugt nun auch das Inflationsgespenst in den USA wieder um die Ecke: Ein überraschend grosser Preisschub von 4,2 Prozent im April löste Befürchtungen aus, dass die Entwicklung aus dem Ruder läuft. Die US-Notenbank Fed wird zwar nicht müde, den Anstieg als vorübergehend und damit weitgehend ungefährlich zu deklarieren. Dahinter steckt demnach ein statistischer Effekt, da im Frühjahr 2020 die Konjunktur in die Knie gegangen war und der Vergleich mit dem Vorjahresmonat ein entsprechend verzerrtes Bild ergibt.

Und der jüngste Anstieg ist auch nicht annähernd mit der Inflation zu vergleichen, die 1980 mit einem Wert von fast 14,5 Prozent erreicht wurde. Die Verbraucher zeigen sich dennoch verunsichert. Ihre Stimmung hat einen Knacks erlitten, wie aus den jüngsten Umfragedaten der Universität Michigan hervorgeht - verbunden mit den höchsten Inflationserwartungen seit mehr als zehn Jahren. Die Bürger gehen demnach davon aus, dass die Jahresteuerung dieses Jahr auf 4,6 Prozent ansteigen und sich in den nächsten Jahren über der Drei-Prozent-Marke festsetzen dürfte. Laut Michigan-Ökonom Richard Curtin schätzen die Verbraucher auch angesichts explodierender Holzpreise die Kaufbedingungen für Häuser so schlecht ein wie seit Anfang der 80er Jahre nicht mehr - somit eine weitere beunruhigende Parallele für Biden zur Zeit Carters.

Und auch Schlangen an den Zapfsäulen wie zuletzt an der Ostküste hatte man bereits 1979/80 gesehen, als die durch die Islamische Revolution im Iran ausgelöste zweite Ölkrise die USA erfasste und die Benzinpreise in die Höhe trieb. Dass voriges Wochenende noch 80 Prozent der Tankstellen in Washington leere Zapfsäulen meldeten, hatte jedoch keine geostrategischen Gründe, sondern war einem Hacker-Angriff auf eine der wichtigsten Kraftstoff-Pipelines in den USA geschuldet. Somit könnte sich zumindest eines der drei Probleme, die auch Carter seinerzeit plagten, für Biden bald erledigt haben. Und was den Jobmarkt und die Inflation angeht, vertraut das Weisse Haus laut einem Spitzenbeamten auf "den gut gefüllten Werzeugkasten" der Fed, die Gefahren damit wirksam begegnen könne. Fed-Chef Jerome Powell hat betont, es werde trotz der sperrangelweit geöffneten Geldschleusen in Sachen Inflation kein Zurück zu den "schlechten alten Tagen" der Siebziger Jahre geben.

(Reuters)