Es ist die Überraschung des Tages: Der langjährige Julius-Bär-Chef Boris Collardi verlässt seinen Arbeitgeber und wechselt auf Mitte 2018 zur Genfer Privatbank Pictet & Cie.

Collardi gilt als treibende Kraft hinter den Wachstumserfolgen der letzten Jahre. Erst vor einer Woche wartete Julius Bär mit einem starken Zwischenbericht für die ersten zehn Monate des geschäftsjahres 2017 auf, was die Aktie der traditionsreichen Zürcher Bank auf neue Höchstkurse klettern liess.

Nicht nur für Beobachter, auch für die Börse kommt der Abgang Collardis unerwartet. An der Schweizer Börse SIX wird die Julius-Bär-Aktie deshalb mit einem Minus von 5,9 Prozent auf 56,70 Franken abgestraft. Die Aktienbilanz seit Jahresbeginn kann sich weiterhin sehen lassen, liegt der Börsenwert aktuell doch noch immer um mehr als 25 Prozent über dem Stand von Anfang Januar.

In einem Kommentar bezeichnet der für Mirabaud Securities Limited tätige Bankenanalyst den Rücktritt von Boris Collardi als "herben Verlust". Unter Collardi seien die verwalteten Kundenvermögen von 150 auf nahezu 400 Milliarden Franken herangewachsen, so der Experte.

Ein erster Analyst wirft das Handtuch

Seines Erachtens kommt der Führungswechsel allerdings zu einem recht günstigen Zeitpunkt. Damit spielt der Mirabaud-Analyst auf die gute Form von Julius Bär und auf das starke Tagesgeschäft an. Wie der Experte weiter durchblicken lässt, habe es schon vor etwas mehr als einem Jahr Gerüchte gegeben, dass Collardi zu einer Genfer Privatbank wechseln könnte. Er stuft die Julius-Bär-Aktie aus Bewertungsgründen mit "Hold" ein.

Sein Berufskollege von Baader-Helvea nimmt die Rochade an der Konzernspitze gar zum Anlass, um die Aktie von "Buy" auf "Hold" herunterzustufen. Das Kursziel wird wie bis anhin mit 56 Franken angegeben. Wie der Experte schreibt, kommt der Rücktritt Collardis überraschend und könnte eine Welle von Abgängen bei den Kundenberatern nach sich ziehen.

Wie es im hiesigen Berufshandel heisst, könnten weitere Experten könnten diesem Beispiel folgen. Der langjährige Konzernchef sei nämlich gerade in angelsächsischen Anlegerkreisen sehr beliebt gewesen. Gemäss Erhebungen der Nachrichtenagentur awp empfehlen noch immer fünf Analysten zum Kauf der Aktie. Wie der cash Insider berichtet, treten seit Montagmittag angelsächsische Marktakteure als Verkäufer in Erscheinung.

In einem Kommentar aus dem Spezialisten-Sales der UBS Investmentbank wird der Wechsel des langjährigen Julius-Bär-Chefs zu Pictet & Cie als "ziemlich merkwürdig" bezeichnet. Für die Autoren lässt sich nicht nachvollziehen, wie der erfolgsverwöhnte Collardi von der Spitze eines SMI-Unternehmens zu einer nicht-kotierten Genfer Bank wechseln und dort nur für einen Teilbereich tätig werden kann.