Wie die folgende Reihe von Diagrammen zeigt, haben die Währungshüter fast durch die Bank und über länger Zeit das Ausmass des Inflationsschocks unterschätzt. In der Folge mussten sie ihre Prognosen ständig weiter nach oben korrigieren.

Und dieses Versagen hat schwerwiegende Konsequenzen.

Europäische Zentralbank, Federal Reserve und Konsorten müssen nun versuchen, die verlorene Zeit aufzuholen, indem sie die Zinssätze so stark anheben wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Das könnte die Zinsen am Ende auf ein höheres Niveau treiben, als wenn sie früher angehoben worden wären. Zudem untergraben die Fehlprognosen das Vertrauen in das Versprechen, dass eine sanfte Landung noch möglich ist.

Tatsächlich besteht nun ein wegen der hastigen Zinserhöhungen ein grösseres Rezessionsrisiko. Ausserdem könnten Politiker versuchen, die Geldpolitik wieder stärker an sich zu reissen - in den USA etwa, wenn die Republikaner bei den Zwischenwahlen im November die Kontrolle den Kongress erlangen.

"Unsere Zentralbank hat uns im Jahr 2021 ziemlich im Stich gelassen", sagt der ehemalige US-Finanzminister Lawrence Summers, der für Bloomberg Television arbeitet. Sie hat eine "schlechte Bilanz bei den Prognosen - und ich muss sagen, dass dies nicht vollständig in Ordnung gebracht worden ist".

Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell und seine Kollegen räumen ein, dass sie Fehler gemacht haben. Sie rechneten damit, dass sich die Inflation als "vorübergehend" erweisen würde. Pandemiebedingte Probleme wie die Lieferklemme und übermässige Nachfrage nach einigen Gütern würden mit dem Abflauen des Coronavirus und dem Ende der Quarantänemassnahmen verschwinden - das war die Annahme.

"Ich glaube, wir haben vor allem gelernt, wie kompliziert die Probleme auf der Angebotsseite sein können", sagte Powell am Mittwoch zu der unzutreffenden Prognose der Fed für die Inflation im Jahr 2021.

Da die Zentralbanken ihre ultralockere Politik beibehielten, gaben die Verbraucher weiter Geld aus und der Handel blieb angespannt. Der Krieg in der Ukraine und Chinas Zero-Covid-Politik verstärkten diese Tendenz und schraubten die Kosten für Lebensmittel und Kraftstoffe hoch. Die angespannte Lage auf den Arbeitsmärkten gab den Löhnen Auftrieb, und massive fiskalische Anreize in einigen Ländern heizten die Nachfrage an.

Bloomberg Economics geht nun davon aus, dass die weltweite Inflation ihren Höhepunkt erst im dritten Quartal mit 9,3 Prozent erreichen wird.

Freilich waren die Zentralbanker nicht die Einzigen, die das Ausmass des Inflationsproblems nicht richtig erkannten. Wetten an den Geldmärkten implizierten noch im Februar einen durchschnittlichen jährlichen Preisanstieg von knapp über 2 Prozent in den USA, also nahe am Zielwert der Fed.

Auch der Median der von Bloomberg Ende 2021 befragten Ökonomen für die US-Inflation - die damals schon bei 7 Prozent lag - lag für 2022 nur bei etwa 4,3 Prozent. Die tatsächliche Teuerung lag schon im ersten Halbjahr darüber und die Volkswirte haben ihre Prognosen angehoben.

Das ist auch an der Politik nicht vorbeigegangen, von der sich die Notenbanken in den letzten Jahrzehnten immer unabhängiger gemacht haben. Die britische Aussenministerin Liz Truss, die im Rennen um die Nachfolge für Boris Johnson vorne liegt, hat bereits angedeutet, dass sie das Mandat der Bank of England ändern könnte.

(Bloomberg)