Die Industrie ist laut Ifo-Institut immer öfter in Alarmstimmung. "Die Rezession breitet sich in allen wichtigen Sektoren der deutschen Industrie aus", sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe am Donnerstag im Reuters-Interview. Die Unsicherheit hinterlasse deutliche Spuren. "In wichtigen Schlüsselbranchen bis auf die Autoindustrie hat das Geschäftsklima nachgegeben."

Die Industrie sei derzeit die Baustelle der deutschen Wirtschaft und leide unter den internationalen Handelskonflikten. Deshalb ist die Stimmung im Verarbeitenden Gewerbe laut Ifo "im freien Fall". Die befragten Manager bewerteten ihre aktuelle Situation im Juli deutlich ungünstiger. Einen stärkeren Rückgang beim sogenannten Lageindex gab es zuletzt im Februar 2009 mitten in der Rezession nach dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise.

Besserung ist dem Münchner Forschungsinstitut zufolge nicht in Sicht, da die Firmen auch pessimistischer auf die kommenden sechs Monate blicken. Zudem sank die Kapazitätsauslastung von 85,3 auf 83,9 Prozent und liegt nur noch knapp über dem langjährigen Mittelwert.

«Unruhige Zeiten»

Das Geschäftsklima für die gesamte Wirtschaft fiel im Juli auf den niedrigsten Stand seit gut sechs Jahren - um 1,8 auf 95,7 Punkte. "Der deutschen Wirtschaft stehen unruhige Zeiten bevor", warnte Wohlrabe. Das Bruttoinlandsprodukt sei im zweiten Quartal wohl geschrumpft, nach plus 0,4 Prozent zum Jahresauftakt. Die Daten für das Frühjahr werden Mitte August erwartet.

"Im dritten Quartal dürfte es dann aber leicht ins Positive drehen - gestützt durch die Binnenkonjunktur." Hier sorge der private Konsum für Schwung, allerdings zeichne sich ein Ende des Booms am Arbeitsmarkt ab. "Das Jobwunder schwächt sich jetzt so nach und nach ab. Die Unternehmen werden deutlich zurückhaltender mit Neueinstellungen."

Ab Jahresmitte rechnet Wohlrabe wieder mit einer leichten Stabilisierung, sieht aber auch keine grossen Sprünge beim Wachstum. "Vom Export kann man derzeit keine Impulse erwarten." Neben dem Zollstreit sorge der ungeklärte EU-Austritt Grossbritanniens für Unsicherheit, sagte Wohlrabe mit Blick auf den neuen britischen Premierminister. "Denn wir haben mit Boris Johnson und seinem Kabinett eine gestiegene Wahrscheinlichkeit für einen harten Brexit." 

(Reuters)