Konsumentinnen und Konsumenten in Europa und den USA haben es nicht eilig, mehr als 2,6 Billionen Dollar an Ersparnissen auszugeben, die sie während der Pandemie angehäuft haben. Das Geld fliesst nicht in die Wirtschaft. Hoffnungen auf einen konsumgetriebenen Anstieg des Wirtschaftswachstums auf beiden Seiten des Atlantiks erteilt das einen Dämpfer. Der Ersparnisüberhang in den Bankbilanzen der Eurozone ging im August im Zuge der Lockerung der Covid-Einschränkungen auf der Nordhalbkugel nur geringfügig zurück; Italien verzeichnete nach Berechnungen von Bloomberg Economics sogar einen Anstieg. Auch in den USA zeigen die Zahlen keinen Abfluss.

Das Ausbleiben des von einigen Ökonomen erwarteten Konsumschubs könnte andererseits gegen das Risiko eines lange anhaltenden Inflationsschock sprechen.

"Wir sehen keine Anzeichen dafür, dass die aufgestauten Ersparnisse in die Wirtschaft zurückfliessen", sagt Dario Perkins, Managing Director für Global Macro bei TS Lombard in London. "Die Menschen fühlen sich wohlhabend und geben ein bisschen mehr aus, weil sie diese Extra-Ersparnisse haben. Ein Bruchteil dieses Geldes wird vielleicht ausgegeben, aber es kommt nicht schlagartig zurück."

Ökonomen glaubten an Kaufrausch

Nach Berechnungen von Bloomberg Economics belaufen sich die seit Beginn der Krise angehäuften überschüssigen Ersparnisse auf rund 2,3 Billionen Dollar in den USA und fast 400 Milliarden Euro in der Eurozone.

Es sind vor allem Unternehmen und Ökonomen, die auf einen Wachstumsschub gesetzt haben. Die Europäische Zentralbank hat hingegen seit langem davor gewarnt, dass die während der Lockdowns angesammelten Gelder "grösstenteils nicht verausgabt" werden dürften.

Der Chef der spanischen CaixaBank, Gonzalo Gortazar, sagte im Mai, er erwarte, dass ein Teil der gebunkerten Mittel die Verbraucherausgaben ankurbeln werde. Die OECD ging davon aus, dass der europäische Konsum von der "Aufhebung der Beschränkungen und dem damit einhergehenden Rückgang der Ersparnisse der Haushalte" profitieren würde, "wodurch ein erheblicher Nachholbedarf finanziert wird".

Doch die Daten sind ernüchternd. Weder die Stimmungsindikatoren der Europäischen Kommission noch Zahlen aus Grossbritannien zeigen einen derartigen Boom. In den USA ist die Verbraucherstimmung im Sommer eingebrochen.

Ein Grund dafür ist laut Olga Cotaga, Analystin der Deutschen Bank, dass während des Lockdowns verpasste Ausgaben für Dienstleistungen nicht nachgeholt werden können "Wir lassen uns nur einmal die Haare schneiden – nicht so oft wie wir es während des Lockdowns verpasst haben", sagte sie in einem Podcast. "Der Nachholbedarf, der sich aus all den verschobenen Entscheidungen während des Lockdowns ergibt, ist nicht wirklich vorhanden."

Leute vermissen gewisse Dinge nicht

Auch einige Verbraucherpräferenzen haben sich einem EZB-Papier zufolge nachhaltig verändert. Viele Menschen erkannten im Jahr 2020, dass sie bestimmte Dinge einfach nicht vermissen. Und dort, wo es Nachfrage gibt, bewirkt die globale Lieferklemme eine Güterknappheit die bewirkt, dass man sein erspartes Geld manchmal einfach nicht ausgegeben kann.

Schliesslich ist der riesige Geldberg auch nicht gleichmässig über alle sozioökonomischen Gruppen verteilt. Senioren und bereits Wohlhabende haben die grössten Gewinne erzielt – aber sie geben oft am wenigsten Geld aus.

"Mein Eindruck ist, dass ein Grossteil der Ersparnisse den Haushalten mit mittlerem und höherem Einkommen zugeflossen ist", so Mark Vitner, Ökonom bei Wells Fargo & Co. "Ich denke, da ist noch reichlich Sprit im Tank."

(Bloomberg/cash)