Es geht Schlag auf Schlag bei Novartis: nachdem sich der Basler Gesundheitskonzern erst kürzlich von seinem Anteil an einem Joint-Venture mit der britischen GlaxoSmithKline trennte, gibt er ein Übernahmeangebot für die amerikanische Avexis ab.

Allerdings muss Novartis tief in die Tasche greifen. Die gebotenen 8,7 Milliarden Dollar entsprechen einem Aufschlag von mehr als 100 Prozent gegenüber dem Schlusskurs der Avexis-Aktie vom Freitag.

Firmeneigenen Angaben zufolge wird die milliardenschwere Grossübernahme den operativen Kerngewinn in den Jahren 2018/2019 verwässern.

An der Schweizer Börse SIX reagieren die Anleger mehrheitlich entspannt auf die Neuigkeiten. Die Novartis-Aktie gibt ihre anfänglichen Kursgewinne zwar preis, verliert zur Stunde allerdings gerademal 0,1 Prozent auf 77,62 Franken.

Teuer erkaufte Verstärkung des Neurologie-Geschäfts

Für den Pharmaanalyst der Zücher Kantonalbank erscheint der Kaufpreis für eine noch unprofitable Biotechgesellschaft, bei der die erste Zulassung des wichtigsten Produktkandidaten erst 2019 erfolgen sollte, sehr teuer. Für den Ausbau der reif gewordenen Gentherapie und wegen der Hebeleffekte, die Novartis aufgrund ihrer Neurologie-Franchise daraus ziehen kann, ist er jedoch von der Akquisition überzeugt. Der Analyst hält daher am "Übergewichten" lautenden Anlageurteil fest.

Etwas vorsichtiger äussert sich sein Berufskollege bei der Bank Vontobel. Mit der Übernahme verstärke Novartis die Neurologie-Franchise, welche nach dem Verlust des Patentschutzes beim MS-Medikament Gilenya die kritische Masse verlieren würde, so schreibt er. Angesichts der hohen Übernahmeprämie gegenüber dem Schlusskurs der Avexis-Aktie vom Freitag sieht der Analyst Novartis auf eine einwandfreie Umsetzung der Akquisition angewiesen. Er stuft die Aktie wie bis anhin mit "Hold" und einem Kursziel von 80 Franken ein.

Auch andere Pharmaanalysten beurteilen den Kaufpreis als hoch. Ausserdem sehen bei weitem nicht alle einen Sinn im milliardenschweren Vorstoss der Basler in den Markt für Medikamente gegen seltene Krankheiten. Wichtigster Produktkandidat ist nämlich die Genersatztherapie AVXS-101 zur Behandlung von spinaler Muskelatrophie.

Novartis sei ansonsten eher in gängigen Therapiefeldern wie der Krebsbehandlung oder der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen tätig, so lautet der Tenor.

Durchwachsener Erfolgsausweis bei grösseren Übernahmen

Die Umsatzprognosen für AVXS-101 gehen weit auseinander. Baader-Helvea schätzt den Spitzenumsatz auf jährlich 3 Milliarden Dollar, die Credit Suisse schätzt das Marktpotenzial auf dem Therapiegebiet der spinalen Muskelatrophie auf 4 bis 8 Milliarden Dollar im Jahr.

Beobachtern zufolge erwiesen sich bei Novartis längst nicht alle in der Vergangenheit getätigten Grossübernahmen als erfolgreich. Dabei wird insbesondere auf den einst rund 50 Milliarden Dollar schweren Kauf der in der Augenheilkunde tätigen Alcon angespielt. Novartis will sich bis Mitte 2019 wieder von Alcon trennen.

Viele Grossübernahmen gehen allerdings in die Ära von Daniel Vasella zurück. Gut möglich deshalb, dass der neue Konzernchef Vas Narasimhan eine glücklichere Hand bei Firmenkäufen habe, so verlautet im hiesigen Handel.