Für Inal aus dem Kaukasus ist der Bitcoin-Hype mit drastisch gestiegenen Kursen nun doch kein Grund zur Freude. "Ich könnte heulen", sagt der 30-Jährige, der seinen ganzen Namen lieber nicht preisgeben möchte. Dabei hatte der junge Mann aus Abchasien auf das schnelle Geld gehofft. Zusammen mit Freunden kaufte er von seinen Ersparnissen für 20'000 Dollar leistungsfähige Computer, die ihm beim "Schürfen" der Kryptowährung helfen sollten. Zunächst ging auch alles gut, das Geschäft spülte ihm nach eigenen Angaben 5000 Dollar pro Monat in die Kasse. Aber er war nicht der Einzige, der an dem Boom teilhaben wollte - viele weitere zogen nach. Das Problem: Die Computer benötigen zur Bitcoin-Herstellung enorme Mengen Strom. Der fehlte dann anderswo im Land. Nun zog die Regierung den Stecker und macht Jagd auf die Schürfer.

"Das ist ungerecht, sogar sehr ungerecht", sagt Inal. Schliesslich habe die Regierung das Schürfen zunächst erlaubt und damit dafür gesorgt, dass viele andere Krypto-Goldgräber auf den Zug aufgesprungen seien. Tatsächlich entstanden nach Angaben der Behörden in Abchasien allein in den beiden vergangenen Jahren mindestens 625 solcher "Krypto"-Farmen. Ortskundige sagen, es seien noch viel mehr, weil sich zuletzt auch viele einfache Familien Rechner anschafften, um einen Teil von dem Kuchen abzubekommen. Die Verlockung ist gross: Bekam man für einen Bitcoin Ende 2018 "nur" rund 3100 Dollar, waren es vor einigen Tagen rund 58'000.

Verboten - Erlaubt - Verboten

Bis zum Spätsommer 2020 war das Schürfen illegal. Dann erlaubte es die Regierung unter bestimmten Voraussetzungen. Das führte dazu, dass der Stromverbrauch so stark anstieg, dass im November erste Leitungen zusammenbrachen. Einige Umspannwerke gingen gar in Flammen auf, ganze Ortschaften blieben für längere Zeit ohne Strom. Und als im Dezember ein Staudamm repariert werden musste und das dortige Kraftwerk, das den grössten Teil der Region mit Energie versorgt, weitgehend abgeschaltet werden musste, zog die Regierung die Reissleine. Bitcoin-Schürfen wurde wieder verboten, es gab Razzien in Häusern, Fabrikgebäuden, Garagen und Restaurants und die Behörden kappten die Stromkabel. Das Mining verschlingt so viel Energie, weil die IT-Chips, die die Bitcoin berechnen, auf Höchstleistung arbeiten. Das erzeugt viel Hitze, weshalb die Kühlung der Geräte wichtig ist.

Dass das Schürfen in Abchasien beliebt ist, liegt nach Einschätzung von Maximilian Hess vom Foreign Policy Research Institute in den USA einerseits an der abgelegen geopolitischen Lage Abchasiens, wo es kaum Investoren gibt. Deshalb mangelt es an attraktiven Arbeitsplätzen. So wie bei Inal, der nach eigenen Worten vor seinem Bitcoin-Projekt arbeitslos war.

"Verbraucht so viel Strom wie Argentinien"

Ein anderer Grund aber sind die niedrigen Energiepreise. Mit 0,005 Dollar kostet die Kilowattstunde Strom in Abchasien zehnmal weniger als im benachbarten Georgien und zwanzigmal weniger als in den USA. Da das Schürfen in den letzten Jahren immer attraktiver wurde, stieg der Stromverbrauch im Land nach Angaben der Regierung allein 2020 um geschätzte 20 Prozent.

Und in Zeiten des Klimawandels ist der hohe Energieverbrauch auch andernorts auf der Welt längst Thema. Denn Stromherstellung bedeutet oft auch klimaschädliche Treibhausgase. "Schätzungen zufolge übertrifft der Stromverbrauch des digitalen Schürfens von Bitcoin den gesamten Stromverbrauch eines Landes von der Grösse Argentiniens mit 45 Millionen Einwohnern", erklärte jüngst Mark Dowding vom Investmentmanager BlueBay Asset Management. Es scheine so, als ob den Hipstern und Millennials, die sich auf Kryptowährungen stürzten, der horrende Stromverbrauch letztlich egal sei. Gingen die Preise für Kryptowährungen weiter durch die Decke, steige auch der Anreiz zu Mining.

Rechnerkapazität für das Mining hat sich vervierfacht

"Der Energieverbrauch könnte daher auch weiterhin in alarmierendem Masse ansteigen." Nach Angaben der Technischen Universität München hat sich die eingesetzte Rechnerkapazität für das Mining allein seit 2018 vervierfacht. 68 Prozent der Rechnerkraft des Bitcoin-Netzwerks lägen in asiatischen Staaten, 17 Prozent in Europa und 15 Prozent in Nordamerika.

Auch in Abchasien ist das Problem nicht gebannt. Inal zufolge haben sich viele Schürfer nach den Razzien neue Stromkabel gelegt. Im Parlament wird daher bereits über ein neues Gesetz debattiert. Demnach soll die Polizei künftig auch das Computer-Equipment beschlagnahmen dürfen und Haushalte müssen eine Strafe zahlen, wenn sie mehr als eine bestimmte Menge Strom verbrauchen. Für manche Abchasier könnte die Geschichte deshalb übel enden. "Einige haben für viel Geld Computerchips gekauft, als das Business im September legalisiert wurde", sagt Inal. "Sie haben dafür ihr Auto verkauft oder Schulden gemacht, die sie jetzt nicht zurückzahlen können. Das ist wirklich ein grosses Problem."

(Reuters)