Leider sind Schokoladenaktien nicht süsser oder "cremiger" als die Anteilspapiere anderer Unternehmen – sie unterliegen den gleichen Prinzipien wie alle Investments dieser Anlagekategorie. Wie überall muss man Kursentwicklung, Bewertung, den künftigen Geschäftsverlauf und den Ausblick sowie Marktmeinungen abfragen, um abwägen zu können, ob sich Aktien für Anlegerinnen und Anleger lohnen.

Die Aktie von Barry Callebaut und der Partizipationsschein von Lindt&Sprüngli haben in letzter Zeit Rekordhochs erreicht. Die Barry-Aktie erreichte Anfang Januar bei 2086 Franken ein Höchst und tendiert heute bei 1937 Franken nicht allzu weit drunter. Der Lindt-PS war Mitte November 2018 zuvor unerreichte 7235 Franken wert und kostet bei 7117 Franken derzeit wieder fast so viel.

Die Kurse des Lindt&Sprüngli-Partizipationsscheins (grün) und der Barry Callebaut-Aktie (rot) in den vergangenen zehnJahren.

Begleiterscheinung zu diesen Kursanstiegen ist jeweils eine hohe Bewertung. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von Barry Callebaut wird auf etwa 27 geschätzt. Bei Lindt liegt das KGV sowohl bei der Aktie, als auch beim günstigeren PS bei über 30.

Bei Barry Callebaut sind vor einer Woche neue Zahlen bekannt geworden. Das Wachstum hat im dritten Geschäftsquartal (das ist bei diesem Unternehmen identisch mit dem zweiten Kalenderquartal) massiv an Fahrt aufgenommen. Positiv stach hervor, dass die Region Asien-Pazifik massiv wuchs: Wachstum in den Schwellenländern, wo Schokolade für die aufsteigenden Bevölkerungsschichten noch relativ neu, aber begehrt ist, zählt zu den wichtigen Zukunftsfaktoren des Konzerns.

Wie die Bank Vontobel schrieb, darf man aber nicht zu viel in das verzeichnete Volumenwachstum von über 10 Prozent hineininterpretieren. Der Drittumsatz mit Kakaopulver und einige Sonderfaktoren hätten das Volumen nach oben getrieben. Vontobel geht davon aus, dass die Volumen langfristig um 4 bis 6 Prozent zulegen werden.

Bewertung belastet Barry Callebaut

Es ist in der Tat aber fast nur die hohe Bewertung, die Analysten so kritisch zu Barry Callebaut stehen lässt. Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) etwa errechnet aus den zu erwartenden operativen Eckdaten kein Kursteigerungspotential mehr, nachdem die Aktie so teuer geworden ist.

Die Bewertung könnte sich auch nicht so schnell ändern. Barry Callebaut hat für ein Nahrungsmittelunternehmen eine eher tiefe Profitabilität und ist stark abhängig von den Preisen und der Verfügbarkeit von Rohstoffen. Der freie Cashflow bei Barry Callebaut ist volatil und hängt unter anderem davon ab, wie und wann im Zusammenhang mit den Kakaoernten die Kakaobohnen gelagert werden.

Immerhin aber wird für 2019 kein massiver Anstieg der Rohstoffpreise erwartet. Darüber hinaus könnte Kakao aber teurer werden, einerseits wegen steigender Nachfrage, andererseits, weil westafrikanische Regierungen zusehends auf höhere Entlöhnungen der Bauern beim Anbau drängen. 

Auch bei Lindt gibt es demnächst Anhaltspunkte zum Geschäftsverlauf. Nächste Woche, am 23. Juli, werden Zahlen zum ersten Halb- und Kalenderjahr vorgelegt. Marktbeobachter erwarten, dass sich Lindt beim Umsatz im ersten Halbjahr 2019 gegenüber dem Vorjahr verbessert hat.

Die Bank Rahn+Bodmer leitet daraus auch nochmals Potential für den PS ab. Dieser weise einen Abschlag gegenüber der Namenaktie auf, schrieb die Privatbank vergangene Woche in einem Kommentar. Nachdem es zu einigen Managementverkäufen gekommen sei, bestehe wieder ein Potential, dass der Kurs des PS aufholen könne.

Nordamerika kann Lindt noch anschieben

Auch auf dem Nordamerikageschäft ruhen Hoffnungen, wenn auch etwas längerfristige. Dank Umsatzwachstum und tiefen Rohstoffkosten erreichte Lindt im vergangenen Jahr in Europa eine Betriebsmarge von rekordhohen 19,3 Prozent. In Nordamerika hingegen betrug die Ebit-Marge nur 7,8 Prozent, was zum Teil an Russell Stover liegt: Beim Hersteller, den Lindt vor genau fünf Jahren gekauft hat, entwickeln sich die Verkäufe immer noch schlecht. 

Wären die Margen in Europa und Nordamerika etwa gleich, hätte der Lindt-Konzern einen um 30 Prozent höheren Ebit. Noch ist keinesfalls ausgemacht, dass Lindt den Nordamerika-Markt so gut in den Griff bekommt. Analyst Patrik Schwendimann von der ZKB sagt: "Es ist untypisch für einen etablierten Nahrungsmittelkonzern, dass er in den USA eine tiefere Marge hat als in Europa." Im Unterscheid zu Europa sei dort der Markt weniger fragmentiert und biete so dank der Skaleneffekte mehr Margenpotential. 

Bei Lindt besteht derzeit also mehr Potential, als dies unmittelbar bei Barry Callebaut der Fall ist. Es ist gut möglich, dass Barry Callebaut als global aufgestellter, strategisch gut ausgerichteter Konzern Lindt eines Tages als führende Schweizer Schokoladenaktie überholt. Barry Callebaut dringt leichter in die Wachstumsmärkte vor und hat nicht wie Lindt das Problem, in Nordamerika Jahre nach dem Zukauf der Problemmarke Russell Stover noch aufräumen zu müssen. Aus heutiger Sicht hat Lindt aber noch die Nase vorn. 

Premiumgenuss? Naja

Wirklichen Premiumgenuss bietet keine der beiden Aktien. Klar ist, dass beide Schweizer Schokotitel hoch bewertet sind, selbst wenn man bedenkt, dass Nahrungsmittelaktien gerne etwas höher bewertet sind als andere Aktien. Wer verkraften kann, dass ein einzelner Lindt-PS viel kostet (ganz zu schweigen von der Aktie, die aktuell mit 79'700 Franken figuriert), wird sich als Anleger dort im Moment wohler fühlen. 

Unmittelbar könnten besonders gute Halbjahreszahlen dem PS nochmals etwas Schub geben. Lindt kann die teure Bewertung derzeit besser rechtfertigen als Barry Callebaut. Dort müssen sich erste neue Entwicklungen zeigen, um das durch das hohe KGV etwas getrübte Bild wieder ins Lot zu rücken.