"Wir befinden uns in dieser Flitterwochen-Phase, in der die Firmenbilanzen inklusive der gerade veröffentlichten gut sind und die Inflation sich abzuschwächen scheint", sagt Christopher Grisanti, Chef-Anlagestratege des Vermögensverwalters MAI. Entscheidend sei nun, wie sich die Rezessionsängste entwickelten. Derzeit schienen die Sorgen eher abzunehmen.
Dank starker Firmenbilanzen wagten sich immer mehr Investoren aus der Deckung, sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. "Die steigenden Kurse zwingen wiederum andere, auf den fahrenden Zug aufzuspringen, um nach einem äusserst schwachen ersten Halbjahr eine eventuell nachhaltige Erholung in der zweiten Jahreshälfte nicht zu verpassen."
Gleichzeitig spekulieren Investoren weiter munter über das Tempo der erwarteten Leitzinserhöhungen, obwohl sich die grossen Notenbanken in die Sommerpause verabschiedet haben. Daher blicken Investoren gespannt auf die US-Verbraucherpreise am Mittwoch. Experten prognostizierten für Juli einen leichten Rückgang auf 8,9 Prozent von 9,1 Prozent im Jahresvergleich. Marko Behring, Chef der Vermögensverwaltung bei der Fürst Fugger Privatbank, warnt allerdings vor überzogenen Erwartungen an ein reduziertes Zinserhöhungstempo der US-Notenbank Fed. "Solange die Teuerungsraten jenseits der fünf Prozent liegen, werden wir keine Rückabwicklung der Zinswende sehen – und schon gar keine zügige."
Guten Arbeitsmarktdaten ermöglichen vielleicht weitere aggressive Zinsschritte
Anleger fürchten angesichts der überraschend guten Arbeitsmarktdaten vom Freitag einerseits zwar womöglich weitere aggressive Zinsschritte der Notenbank Fed, zumal sich der Lohnanstieg im Monat Juli nicht wie erhofft verlangsamt hat. Andererseits jedoch nähren die Daten die Hoffnung, dass die weltgrösste Volkswirtschaft auch in den kommenden Monaten nicht in eine Rezession abgleitet.
Unabhängig davon hält eine neue Welle von Firmenbilanzen die Börsianer auf Trab. In den USA öffnet unter anderem der Unterhaltungskonzern Walt Disney seine Bücher, in der Schweiz tun dies Zurich (Donnerstag) und Alcon (Dienstag), in Deutschland der Rückversicherer Münchener Rück, die Deutsche Telekom, der Elektrotechnik-Konzern Siemens sowie die Versorger RWE und E.ON.
Investoren sollten sich von Umsatz- und Gewinnsteigerungen nicht täuschen lassen, warnt Saira Malik, Chef-Anlegern des Vermögensverwalters Nuveen. Die Zahl und der Umfang der positiven Überraschungen bei den bisher veröffentlichten Geschäftszahlen liege unter dem langjährigen Mittel. Außerdem tauchten in den Ausblicken immer öfter Begriffe wie "Inflation" und "Gegenwind" auf.
(Reuters)