Der ehemalige italienische Regierungschef und grösste Aktionär des deutschen Fernsehkonzerns hat jüngst angekündigt, er wolle seinen Anteil von insgesamt 23,7 Prozent weiter erhöhen. Zudem erklärte der Medienmagnat, dass er gegebenenfalls eigene Wahlvorschläge für den Aufsichtsrat des Unternehmens aus Unterföhring bei München machen würde. Mit dieser Ankündigung wirft er den Fehdehandschuh, weil ProSiebenSat.1 gerade erst zwei versierte Medienexperten für sein Kontrollgremium vorgeschlagen hat. "Die Zeit des Kuschelns, die es eigentlich nie gab, ist jetzt wohl zu Ende", sagt ein Eingeweihter.

Branchenbeobachter fragen sich bereits, ob es im Mai 2022 bei der Hauptversammlung zum Showdown kommt. Der Machtkampf um ProSiebenSat.1 köchelt seit längerem. Im Kern geht es darum, dass der italienische Fernsehriese MFE (früher Mediaset) den deutschen TV-Konzern bei seinen europäischen Expansionsplänen dabei haben und die Zusammenarbeit verstärken will. Doch hält sich ProSiebenSat.1-Chef Rainer Beaujean alleine für stark genug - er hält länderübergreifende Fusionen nicht für sinnvoll. In Beaujeans Vertragsverlängerung - und das gleich für fünf Jahre - waren die Italiener laut Insidern nicht vorab eingebunden. Sie fühlten sich auch von der Entscheidung überrumpelt, dass der ehemalige Axel-Springer-Vorstand Andreas Wiele im Mai 2022 neuer Aufsichtsratschef werden und der frühere RTL-Chef Bert Habets ebenfalls in das Aufsichtsgremium einziehen soll.

Prompt kündigte Berlusconi an, dass man zwar keine eigenen MFE-Manager in den Aufsichtsrat schicken, aber womöglich selbst Kandidaten vorschlagen werde. Im Umfeld von MFE heisst es, das sei die Retourkutsche dafür, dass ProSiebenSat.1 seinen grössten Aktionär bei den Personalien übergangen habe. Bei den Bayern spricht man hinter vorgehaltener Hand von "Säbelrasseln", das man aber ernst nehmen müsse. Bei einer geringen Präsenz auf dem Aktionärstreffen am 5. Mai 2022 wäre nicht auszuschliessen, dass MFE-Kandidaten tatsächlich gewählt würden. Allerdings dürfte man in Unterföhring bemüht sein, möglichst viele Aktionäre für die Abstimmung zu mobilisieren, damit das Berlusconi-Lager auf der Hauptversammlung keine Mehrheit hat.

«Kein Interesse an Riesentheater»

Trotz der Drohkulisse spricht einiges dagegen, dass das Berlusconi-Lager einen offenen Konflikt anzettelt. "Niemand hat ein Interesse, dass es ein Riesentheater gibt." Denn zum einen können auch die Italiener den AR-Kandidaten Wiele und Habets die Expertise rund um Medien, Digitalisierung und TV nicht absprechen. Zum anderen könnten sie sich ins eigene Fleisch schneiden, sollten sie mit der Brechstange eigene Kandidaten durchboxen: Wollen die Italiener ihren Zugriff auf ProSiebenSat.1 mit weiteren Anteilskäufen erhöhen, dürfte ihnen an einem offenen Schlagabtausch nicht gelegen sein. Denn eine als feindlich zu wertende Übernahme eines deutschen Medienkonzerns dürfte in der Landes- und Bundespolitik nicht gut ankommen. Dessen sei sich das Berlusconi-Lager durchaus bewusst, erfuhr Reuters von einer mit der Sache vertrauten Person.

Gleichwohl dürfte der 85-Jährige Berlusconi bis zur Hauptversammlung seinen Anteil an der bayerischen Fernsehkette erhöhen - und damit den Druck steigern. Bis knapp unter die Marke von 30 Prozent wäre das unproblematisch. Mit Erreichen dieser Schwelle müssten die Italiener aber allen Aktionären ein Übernahmeangebot machen. Dies gilt allerdings vorerst als unwahrscheinlich.

(Reuters)