Für den Demokraten Biden ist es seine politische Handlungsfähigkeit in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit, sollte seine Partei die Mehrheit in einer oder gar beiden Kammern verlieren. Für den Republikaner Trump ist die Abstimmung ein Test, wie gross seine Macht und sein Einfluss in der Partei sind, zwei Jahre vor einem etwaigen Anlauf für eine weitere Amtszeit.

In den USA werden alle zwei Jahre das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt. Zwar gibt es bislang wenige Umfragen. Wegen des Wahlsystems und des Zuschnitts der Wahlkreise gilt der Ausgang allerdings nur bei wenigen Sitzen als komplett offen. Nach Einschätzung des Magazins Politico dürften die Republikaner nach jetzigem Stand die Mehrheit im Repräsentantenhaus übernehmen. Sie sind favorisiert, auch den Senat zu erobern. Das würde der Faustregel in der US-Politik folgen, dass die Partei des Präsidenten bei den Zwischenwahlen meist Rückschläge erleidet.

Mehrheit für Demokraten knapp

Der Verlust der Mehrheit in auch nur einer Kongresskammer würde Biden das politische Leben äusserst schwermachen. Besonders im Senat ist die Mehrheit für seine Demokraten knapp. Im Gegensatz zu vielen europäischen Staaten sind Oberhaus und Unterhaus in den USA fast komplett gleichberechtigt. Entsprechend könnten die Republikaner grosse Teile von Bidens Agenda blockieren. Umgekehrt dürften sie ihre eigenen Gesetzesvorhaben am Präsidenten nicht vorbei bekommen, denn um dessen Veto zu brechen, sind drei Viertel der Stimmen in beiden Kammern erforderlich. Dass die Republikaner eine solche Mehrheit erlangen, gilt als unwahrscheinlich. Damit könnte die Gesetzgebung in den USA nach der Kongresswahl faktisch zum Stillstand kommen - zumindest bis zur nächsten Abstimmung, die 2024 wieder parallel zur Präsidentenwahl stattfindet.

Für Trump ist die Herausforderung weniger konkret. Vom Abschneiden der von ihm unterstützten Kandidaten könnte es allerdings mit abhängen, ob der heute 75 Jahre alte Ex-Präsident in zwei Jahren wieder antritt. Selbst wenn nicht, dürfte die Abstimmung zeigen, wie sehr seine politischen Vorstellungen und Werte auf die Republikaner als Ganzes übergegangen sind.

Trump hat sich stärker als jeder andere ehemalige Präsident zuvor in die Zwischenwahl eingebracht. Er hat sich hinter mehr als 190 Kandidaten gestellt, darunter auch Nicht-Abgeordnete wie Gouverneure. Die Bilanz fällt bislang gemischt aus. Bei einer vielbeachteten Vorwahl der Republikaner für das Gouverneursamt in Georgia verlor sein Schützling David Perdue zwar krachend. Insgesamt aber konnten die von Trump unterstützten Kandidaten im Mai sich zu zwei Dritteln durchsetzen. Die Auswahl der Kandidaten für die Zwischenwahlen dauert noch mehrere Monate.

«Meine Seite ist wütender geworden»

Einige Experten stellen infrage, ob es sinnvoll ist, Sieg oder Niederlage von Trumps bevorzugten Kandidaten als Massstab für seinen Einfluss zu nehmen. Strategen der Republikaner weisen darauf hin, dass sich seine als "Trumpism" zusammengefasste politische Ideologie in gewisser Weise verselbstständigt hat. Auch ohne seine Unterstützung gibt es genug Kandidaten, die mit dem Motto "America First" in den Wahlkampf ziehen.

Ein Beispiel ist die konservative Kommentatorin Kathy Barnette, die sich in der republikanischen Vorwahl für den Senat in Pennsylvania gegen den Kandidaten mit Trump-Unterstützung stellte. Auch sie beanspruchte Trumps Slogan "Make America Great Again" - abgekürzt "MAGA" - für sich. "MAGA gehört nicht Präsident Trump", sagte sie während einer Debatte. "Obwohl er das Wort erfunden hat, gehört MAGA eigentlich dem Volk." Barnette verlor die Vorwahl.

Bei der Präsidentenwahl 2016 sei Trump wirklich der einzige Kandidat gewesen, der in dieser Form als Populist aufgetreten sei, sagt der republikanische Stratege Alex Conant. "Jetzt klingen die meisten republikanischen Vorwahl-Kandidaten zunehmend so." Sein Kollege Chuck Warren stimmt ihm bei. "Das wichtigste, was Trump in der Partei absolut verändert hat ist, dass die Republikaner nicht mehr versuchen, nett zu sein", sagt er. "Meine Seite ist wütender geworden."

(Reuters)