Novartis begibt sich erneut auf Einkaufstour und übernimmt das US-Biotechnologieunternehmen The Medicines Company. Das lässt sich der Pharmahersteller aus Basel einiges kosten. Mit 85 Dollar je Medicines-Aktie liegt das Übernahmeangebot gut 40 Prozent über dem Durchschnittskurs der vergangenen drei Monate.

Es ist denn auch der stolze Preis, der in Expertenkreisen zu Wochenbeginn für Gesprächsstoff sorgt. Mit knapp 10 Milliarden Dollar liege das Übernahmeangebot am ganz oberen Ende von dem, was Analysten erwartet hätten, so lautet der Tenor. Selbst Novartis räumt ein, dass der Firmenkauf den Kerngewinn über die nächsten Jahre hinweg leicht verwässert.

The Medicines Company passt ins "Beuteschema"

Beobachter zeigen sich deshalb überrascht, dass die Novartis-Aktie nach einem Vorstoss auf 90,49 Franken zur Stunde noch 0,7 Prozent höher bei 90,41 Franken notiert.

Wie die Bank Vontobel schreibt, passt The Medicines Company gut ins "Beuteschema" von Novartis. Ihres Erachtens ist der Basler Pharmakonzern auf ergänzende Firmenübernahmen angewiesen, will dieser der drohenden Umsatzerosion durch günstigere Nachahmermedikamente Herr werden. Gleichzeitig verstärke der Firmenkauf die Produktepalette im Bereich kardiovaskulärer Erkrankungen, so die Zürcher Bank weiter. Sie stuft die Novartis-Aktie weiterhin nur mit "Hold" und einem Kursziel von 86 Franken ein.

Auch die US-Investmentbank Jefferies sieht klare strategische Gründe für den milliardenschweren Firmenkauf. Sie glaubt, dass Novartis mit der Übernahme das Herz-Kreislauf-Medikament Entresto fördern will. Auf Basis der öffentlich bekannten Informationen errechnet Jefferies eine Gewinnverwässerung bei der Basler Käuferin zwischen 2 und 3 Prozent. Das Anlageurteil lautet allerdings weiterhin "Buy" bei einem Kursziel von 100 Franken.

Skeptisch gibt sich die britische Barclays. Sie verweist darauf, dass The Medicine Company das Schlüsselmedikament Inclisiran von Alnylam einlizenziert hat und diesem Partnerunternehmen Lizenzzahlungen leisten muss. Umso mehr sieht die Grossbank in diesem Zusammenhang hohen Druck auf Novartis lasten, das Präparat zum kommerziellen Erfolg zu führen. Barclays empfiehlt die Aktie mit "Underweight" und einem Kursziel von 80 Franken zum Verkauf.

Verfällt der Novartis-Chef einem Kaufrausch?

Es ist nicht die erste milliardenschwere Grossübernahme, die Novartis seit dem Wechsel von Vas Narasimhan an die Unternehmensspitze bekanntgibt. Vor The Medicines Company krallten sich die Basler schon Avexis, Advanced Accelerator Applications sowie Endocyte. Alleine in den vergangenen 12 bis 18 Monaten flossen so ganze 25 Milliarden Dollar in Firmenübernahmen. Zum Vergleich: Dem stehen bei Novartis jährliche Forschungs- und Entwicklungsausgaben in Höhe von gerade mal 7,5 Milliarden Dollar gegenüber.

Angesichts dieser beeindruckenden Zahlen und der hohen Taktgeschwindigkeit bei der Bekanntgabe von Firmenübernahmen wird Narasimhan deshalb vorgeworfen, dass er einem Kaufrausch verfallen sei. Wie aus dem hiesigen Berufshandel verlautet, weckt die aggressive Übernahmestrategie böse Erinnerungen an die Ära Daniel Vasellas - selbst wenn Novartis unter seinem aktuellen Konzernchef einen wesentlich fokussierteren Ansatz verfolge.

Unter Daniel Vasella erwarb Novartis unter anderem einst für umgerechnet rund 50 Milliarden Dollar die frühere Nestlé-Tochter Alcon. Seit April dieses Jahres ist das in der Augenheilkunde tätige Unternehmen dank eines Spin-offs von Novartis wieder eigenständig.