Eine Fondstochter der Münchener, die Allianz Global Investors US, hat sich des Wertpapierbetrugs schuldig bekannt. Für die Allianz war der Dienstag ein Schlussstrich unter die rechtlichen Probleme, die den Versicherer seit der Implosion der Structured-Alpha-Fondsfamilie im März 2020 beschäftigen. Doch das Schuldeingeständnis lässt weiter viele Fragen offen.

Der Fall ist das jüngste Beispiel dafür, welchen Schaden undurchsichtige Handelsgeschäfte selbst bei Top-Firmen anrichten können: Man erinnere sich an Archegos, Long-Term Capital Management und die Hedgefonds, deren Zusammenbruch zum Ende von Bear Stearns führten.

Versprochen hatte der 55-jährige Tournant den Anlegern, dass seine Fonds laufen würden, egal, ob die Märkte steigen, fallen oder seitwärts gehen. Passieren könne wenig, schliesslich werde er von den Risikomanagern der Allianz engmaschig überwacht.

Glätten von Leistungsdaten

Tatsächlich habe der Chief Investment Officer der in Miami ansässigen Structured Alpha Fonds jahrelang Leistungsdaten “geglättet” und über seine Absicherungen gegen Kursverluste gelogen, so die Staatsanwaltschaft in der Anklage. Tournant könnte im Falle einer Verurteilung für 10 Jahre oder länger im Gefängnis landen. Ehemalige Kollegen haben sich gegen ihn gewandt, ebenso die Allianz.

Tournants Anwälte entgegnen, die Anklage sei ein “wenig durchdachter Versuch der Regierung, die Auswirkungen der beispiellosen, durch Covid verursachten Marktverwerfungen vom März 2020 zu kriminalisieren”. Die Verluste seien bedauerlich, jedoch “nicht das Ergebnis eines Verbrechens”.

Die Staatsanwälte sehen das anders: Tournant habe seinen grossen Investoren gesagt, Sicherheit habe oberste Priorität. Er sei jedoch immense Risiken eingegangen, die er verheimlicht habe. Das Ergebnis wäre ein massiver Betrug, der Anleger 7 Milliarden Dollar gekostet hat, heisst es.

Zwei seiner wichtigsten Mitarbeiter, Stephen Bond-Nelson und Trevor Taylor, haben sich schuldig bekannt. Ihnen drohen lange Haftstrafen, aber Kooperation mit der Staatsanwaltschaft könnte die Urteile abmildern. Alle drei wurden auch von der US-Börsenaufsicht, der Securities and Exchange Commission verklagt.

Goldesel

Laut SEC verdienten Tournant und Taylor von 2016 bis 2020 jeweils 51,3 Millionen Dollar und galten bei Allianz Global Investors US als Stars. Bond-Nelson verdiente 12 Millionen Dollar. Die Einblicke und Details darüber, wie die drei Männer nach Meinung der Staatsanwälte Investoren, Berater, Kollegen und Wirtschaftsprüfer hinters Licht führten, sind bemerkenswert. 

Einmal traf sich Tournant mit Taylor auf einer verlassenen Baustelle, wo sie über die von ihnen manipulierten Fondsberichte sprachen und ihr Vorgehen bezüglich der Ermittlungen der SEC abstimmten, so Unterlagen der Behörde.

Den 51-jährigen Bond-Nelson ermutigte Tournant zu Falschaussagen gegenüber der SEC. Bond-Nelson belog die Ermittler bei einer Anhörung im Mai 2021 wiederholt, bevor er vermeintlich die Toilette aufsuchte und dabei türmte. Bald darauf kooperierte er jedoch und “half der SEC, den Betrug zu verstehen”, so die Behörde.

Die Allianz Global Investors US bekannten sich im Anklagepunkt des Wertpapierbetrugs schuldig und zahlen rund 6 Milliarden Dollar zahlen, um den Fall beizulegen. Die Muttergesellschaft Allianz selbst habe keine Rolle bei dem Betrug gespielt.

Ein Sprecher der Allianz sagte, Tournant und seine beiden Helfer hätten “isoliert” gehandelt und “schwerwiegende Verfehlungen” begangen, als deren Konsequenz das Unternehmen nun Milliarden an Vergleichszahlungen leisten müsse. “Wir sind schockiert über die Handlungen von Greg Tournant und seinen ehemaligen Kollegen.”

USA nicht mehr verfügbar

Allianz Global Investors US darf infolge des Falles bestimmte Dienstleistungen ein Jahrzehnt lang nicht mehr in den USA anbieten. Die Allianz plant deshalb den Grossteil des US-Geschäfts der AllianzGI an Voya Financial Inc. zu verkaufen. 

Tournants Gruppe setzte aktienbasierte Optionen ein und verspracht Anlegern eine Absicherung gegen Verluste in jeder Marktphase. Diese Produkte würden sogar dann Gewinne generieren, wenn die Märkte richtungslos vor sich hinplätschern würden, so Marketingunterlagen.

Ende 2015 war Tournant wohl frustriert über die Kosten der Absicherung, welche die Rendite schmälerten. Der Fonds “gab die versprochene Absicherungsstrategie auf und begann stattdessen, billigere Absicherungen zu kaufen, die weiter aus dem Geld waren und daher im Falle eines Marktabsturzes weniger Schutz boten”, heisst es in der Anklage. Diese Änderung wurde Anlegern nicht mitgeteilt, so die Staatsanwaltschaft.

Zu gut um wahr zu sein

Den Kunden, denen die Fonds womöglich zu gut klangen, um wahr zu sein, versicherten die Allianz Global Investors US, ein Risikomanagementsystem mit “drei Verteidigungslinien” einzusetzen. Doch die Staatsanwaltschaft nennt das System heute kaum funktionsfähig.

Als interne Prüfer im Jahr 2017 Warnhinweise fanden, beauftragten sie Produktspezialisten, ihnen nachzugehen. Doch deren Gehalt war an die Performance der Gruppe gebunden.

Tournant und Taylor hatten bereits bei der Vorgängerfirma von Structured Alpha, Options Management, zusammengearbeitet vor über zehn Jahren. Dort verfolgten sie eine ähnliche Strategie und scheiterten während der Finanzkrise. In der Folge bauten sie ihr Angebot um und wurden schliesslich von der Allianz übernommen - eine weltweite Marke mit viel gepriesenen internen Kontrollmechanismen.

Eine Investition in Structured Alpha, so versicherte Tournant es seinen Anlegern, sei “etwas ganz anderes, als wenn ich meine eigene Hedgefonds-Firma hätte, bei der ich in irgendeiner Form so ziemlich alles überstimmen kann”.

(Bloomberg)