"Vontobel hinterlässt einen Markanteil, um den es zu kämpfen gilt", sagte MainFirst-Chef Ebrahim Attarzadeh der Nachrichtenagentur Reuters in einem am Montag veröffentlichten Interview. Das Institut habe in den vergangenen Tagen bereits seine Fühler ausgestreckt. "Unternehmen, institutionelle Anleger und die Börse signalisieren uns, dass sie an einer Zusammenarbeit mit einer lokal verankerten Bank mit einem globalen Netzwerk interessiert sind."

Vontobel kündigte vor einer Woche an, aus dem Investmentbanking mit Tätigkeiten wie Wertpapierhandel und -verkauf (Brokerage) sowie Aktien- und Anleihe-Platzierungen (Equity Capital Markets und Debt Capital Markets) auszusteigen und sich auf die Vermögensverwaltung zu konzentrieren. Die sich öffnende Lücke will nun MainFirst nutzen. Die Gesellschaft beschäftigt an sieben Standorten über 50 Analysten, rund 50 Sales-Leute und rund 20 Händler.

Seit 2007 in der Schweiz

Seit 2007 sind die Frankfurter auch in der Schweiz aktiv und betreiben mit 16 Personen, darunter neun Analysten, hauptsächlich Brokerage und ein kleines Equity-Capital-Markets-Geschäft. Nach der Übernahme durch das US-Investmenthaus Stifel sieht sich MainFirst gut aufgestellt, in der Schweiz in die Bereiche Debt Capital Markets und Übernahme-Beratung einzusteigen. "Wir wollen die gesamte Produktpalette des klassischen Investmentbankings anbieten", sagte Attarzadeh. Im Mittelpunkt stünden kleine und mittelgrosse börsennotierte Unternehmen, bei denen die Abdeckung durch Analysten seit der Einführung der europäischen Finanzmarktrichtlinie Mifid II zurückgegangen sei.

In der Schweiz seien für MainFirst Aktien- und Anleihen-Platzierungen sowie Übernahmeberatung die wichtigsten Wachstumsfelder, beim Brokerage werde die Firma selektiver vorgehen, erklärte Attarzadeh. "Gegenwärtig erwirtschaften wir rund 80 Prozent der Erträge in der Schweiz im Brokerage. In drei bis fünf Jahren dürften die Anteile von Brokerage und Kapitalmarktgeschäft etwa gleich gross sein." MainFirst werde auch neue Mitarbeiter rekrutieren. Viel wichtiger sei es aber, bei institutionellen Anlegern und Firmen Kunden zu gewinnen, die vorher von Vontobel betreut wurden.

«Wollen Marktanteil im Brokerage verdoppeln»

Im Brokerage werde MainFirst voraussichtlich die Abdeckung von gegenwärtig 80 Schweizer Unternehmen um fünf oder zehn aufstocken. "Wir wollen unseren Marktanteil im Schweizer Brokerage-Markt gemessen an den Kommissionseinnahmen von gegenwärtig rund 2,5 Prozent verdoppeln." Ähnlich gross wie MainFirst seien Vontobel, Exane, Kepler Cheuvreux oder Berenberg. Die drei letztgenannten dürften ebenfalls versuchen, vom Vontobel-Ausstieg zu profitieren, aber keiner von ihnen habe so viele Brokerage-Mitarbeiter in der Schweiz wie MainFirst.

Attarzadeh rechnet mit einer Fortsetzung der Konsolidierung in der Branche. "Ausgelöst vom Margendruck sehen wir erstmals, dass Banken aus Teilen des Geschäfts aussteigen", erklärte er. Das gelte neben Vontobel etwa auch für die Deutsche Bank oder Macquarie. Bis diese Marktbereinigung abgeschlossen sei, würden sicher nochmal zwei Jahre vergehen. Die MainFirst-Muttergesellschaft Stifel habe für Europa eine zehnjährige Wachstumsstrategie. "Wir haben einen langen Atem", sagte Attarzadeh. 

(Reuters)