Dass Swiss Re die Wirbelstürme Harvey, Irma und Maria teuer zu stehen kommen könnten, war wohl allen klar. Dennoch dürften die Aktionäre angesichts der ersten firmeneigenen Kostenschätzungen zweimal leer schlucken. Mit ganzen 3,6 Milliarden Dollar vor Steuern werde das Ganze die Erfolgsrechnung belasten, so lässt der Rückversicherungskonzern aus Zürich in einer Mitteilung an die Medien durchblicken.

Dabei stützt sich das Unternehmen auf industrieweite versicherte Schäden in geschätzter Höhe von 95 Milliarden Dollar für die besagten Naturkatastrophen ab.

Während sich die genannten 95 Milliarden Dollar im Rahmen der Analystenerwartungen bewegen, liegen die 3,6 Milliarden Dollar klar darüber.

Dennoch überwiegt an der Börse die Zuversicht, dass die Rückversicherungsprämien erstmals seit Jahren wieder steigen könnten. Zur Stunde gewinnt die Swiss-Re-Aktie an der Schweizer Börse SIX noch 0,9 Prozent auf 91,35 Franken. Die Tageshöchstkurse liegen gar bei 91,90 Franken.

Wie der für Baader-Helvea tätige Daniel Bischof schreibt, überragt die firmeneigenen Erwartungen seine letzte Kostenschätzungen von 3,1 Milliarden Dollar um 17 Prozent. Seines Erachtens liegt die Zahl von 3,6 Milliarden Dollar auch über den Erwartungen anderer Berufskollegen. An der starken Eigenkapitalbasis des Rückversicherungskonzerns ändere sich durch die Kosten nicht viel, so die Einschätzung des Analysten. Bischof stuft die Aktie wie bis anhin mit "Hold" und einem Kursziel von 94 Franken ein.

Jahresgewinn von Analysten neu bei 600 Millionen Dollar gesehen

Auch Stefan Schürmann von der Bank Vontobel hatte sich auf geringere Kosten im Zusammenhang mit den jüngsten Naturkatastrophen eingestellt. Er will seine diesjährigen Gewinnschätzungen entsprechend reduzieren. Am "Hold" lautenden Anlageurteil hält Schürmann genauso fest wie am Kursziel von 94 Franken.

Der für J.P. Morgan tätige Edward Morris sieht bei seinen Gewinnschätzungen für das laufende Jahr ebenfalls Anpassungsbedarf, obschon er diese erst vor wenigen Wochen um 2,7 Milliarden Dollar reduziert hatte. Neu rechnet er bei Swiss Re nach den Kosten für die Naturkatastrophen noch mit einem Jahresgewinn in Höhe von 600 Millionen Dollar. Die Aktie wird bei der amerikanischen Investmentbank weiterhin mit "Overweight" zum Kauf empfohlen.

Thorsten Wenzel von der DZ Barnk ging bisweilen sogar nur von einer Belastung vor Steuern von 2 Milliarden Dollar aus. Vor diesem Hintergrund sei klar, dass er seine Gewinnschätzungen weiter zurücknehmen müsse, so schreibt er. Sein Votum lautet unverändert "Kaufen", den fairen Wert von 102 Franken dürfte der Analyst etwas zurücknehmen.

In einem Kommentar lässt Georg Marti von der Zürcher Kantonalbank durchblicken, dass sich die Schadenangaben von Swiss Re weitestgehend im Rahmen seiner Erwartungen bewegen. Er war bisweilen von einer Gesamtbelastung von 3,8 Milliarden Dollar für das Unternehmen ausgegangen. Da der Analyst die Markterwartungen für die Kosten bei unter 3 Milliarden Dollar ansiedelt, erwartet er von der mit "Marktgewichten" eingestuften Aktie eine rückläufige Kursentwicklung.

Kommt das versprochene Aktienrückkaufprogramm oder nicht?

Nicht wenige Analysten gewinnen den verheerenden Naturkatastrophen aber auch positive Aspekte für die Rückversicherungsindustrie ab. So könnten sich die seit Jahren rückläufigen Prämienansätze in Zukunft stabilisieren, wenn nicht gar steigen. Mit den geschätzten 95 Milliarden Dollar an Überschusskapital, welches weltweit durch die Katastrophen absorbiert wird, fallen zudem Überkapazitäten weg.

Unklar bleibt, inwiefern die Kosten das von Swiss Re in Aussicht gestellte Aktienrückkaufprogramm über eine Milliarde Franken tangiert. "Unsere Kapitalausstattung und unsere hohe finanzielle Flexibilität ermöglichen es uns, unsere Kunden zu unterstützten, auf Marktentwicklungen zu reagieren und die eigenen Prioritäten im Kapitalmanagement weiter zu verfolgen", wird Finanzchef David Cole in der Medienmitteilung zitiert.

Auf Anfrage vertröstet die Investors Relations Abteilung diesbezüglich auf die Quartalsergebnispräsentation vom 2. November. Erst an diesem Tag dürften die Aktionäre erfahren, ob das Aktienrückkaufprogramm umgesetzt wird oder nicht. Zumindest der für Baader-Helvea tätige Daniel Bischof zeigt sich zuversichtlich, dass Swiss Re das geplante Aktienrückkaufprogramm dank der starken Eigenkapitalbasis trotzdem umsetzen wird. Dem widerspricht Georg Marti von der Zürcher Kantonalbank, hält wie Olivier Pauchaut von Bryan Garnier jedoch zumindest die Dividende nicht für gefährdet.