Was die Spatzen am Hauptsitz von Nestlé in Vevey schon seit Wochen von den Dächern pfeifen, ist seit dem frühen Donnerstagmorgen endlich Gewissheit: In der zweiten Jahreshälfte konnte der Nahrungsmittelkonzern wieder Tritt fassen. Sowohl beim Umsatz als auch auf den Stufen EBITA und Reingewinn werden die jeweiligen Konsensschätzungen teilweise klar übertroffen.

Punkten können die Westschweizer auch mit dem überraschend starken Ausblick. Dieser lässt Analysten zumindest etwas über die eher knausrige Dividendenerhöhung hinwegschauen.

An der Schweizer Börse SIX gewinnt die Aktie von Nestlé zur Stunde nur gerade 0,7 Prozent auf 71,60 Franken. Noch im vorbörslichen Handel wurde die Aktie um ein gutes Prozent höher gestellt. Händler berichten von einem Schlagabtausch zwischen Haussiers und Baissiers.

Besser als die Konkurrenz

"Der Superdampfer Nestlé ist auf Kurs", schreibt der für die Zürcher Kantonalbank tätige Analyst. Der Westschweizer Nahrungsmittelkonzern habe andere Rivalen wie Unilever oder Givaudan erneut in den Schatten gestellt und ein organisches Umsatzwachstum von 4,5 Prozent erzielt. Die um 10 Basispunkte höhere operative Marge sei mit 15,3 Prozent etwas höher als erwartet ausgefallen. Die Bruttogewinnmarge sei sogar um 30 Basispunkte gesteigert worden, was von einer hohen Ergebnisqualität spreche.

Der ausgewiesene Reingewinn liege hingegen unter den bankeigenen Erwartungen, so der Analyst. Verantwortlich seien einmalige Goodwill-Abschreibungen in den USA sowie die Folgen der Hyperinflation in Venezuela. Die Aktie wird bei der Zürcher Kantonalbank mit "Übergewichten" zum Kauf empfohlen.

Sonderfaktoren blähen Reingewinn auf

Der Berufskollege von Baader Helvea wartet hingegen mit Erklärungen für den deutlich über den Konsensschätzungen liegenden Reingewinn auf. Dieser sei durch die Beteiligungsreduktion an L'Oréal und der Übernahme von Galderma künstlich aufgebläht worden. Dennoch spreche vor allem der im Rahmen der Erwartungen liegende Ausblick für eine positive Kursreaktion. Offiziell wird die Nestlé-Aktie vom Analysten nur mit "Hold" und einem Kursziel von 72 Franken eingestuft.

Dividendenerhöhung niedrigste seit Jahren

Auch bei der Bank Vontobel ist grundsätzlich von einem robusten Ergebnis die Rede. Das gelte insbesondere im Vergleich zur Konkurrenz. Die besser als erwartet ausgefallene Gewinnmarge wirke sich ebenfalls positiv aus und deute auf die Finanzdisziplin von Nestlé sowie auf die ersten Ergebnisse der Portfolioverschlankung hin.

Wenig begeistert zeigt sich der Analyst von der Erhöhung der Dividende um gerademal 2 Prozent. Es sei die niedrigste Anhebung seit Jahren, so schreibt er. Allerdings hält er die Dividende noch immer für attraktiv hoch. Das Anlageurteil für die Aktie lautet unverändert "Buy" und das Kursziel 75 Franken.

Kritische Haltung bei der UBS

Der für die UBS tätige Analyst fragt sich, ob das Ziel eines organischen Umsatzwachstum "um die 5 Prozent" bei Nestlé zur Gewohnheit wird. Bislang habe das Unternehmen ein Wachstum von 5 bis 6 Prozent angestrebt.

Auch sonst findet er nicht viel wohlwollende Worte für die mit "Neutral" und einem 12-Monats-Kursziel von 67,50 Franken eingestufte Nestlé-Aktie. Der Nahrungsmittelhersteller habe an Wettbewerbsvorteilen eingebüsst und gehöre nicht zu den Gewinnern der erwarteten Konzentrationsbewegung im Sektor. Nestlé sei zu gross um übernommen zu werden und zu konservativ um grössere fremdfinanzierte Firmenkäufe zu tätigen.

In dieselbe Kerbe schlägt J. Safra Sarasin. Der Ausblick für 2015 liege erneut am unteren Ende des mittelfristigen Wachstumsziels von 5 bis 6 Prozent, so schreibt die Bank. Nach enttäuschenden vorangegangenen Quartalen habe sich im Schlussquartal eine Wachstumsbelebung bemerkbar gemacht. Der verantwortliche Analyst fragt sich deshalb, ob Nestlé nun nicht doch wieder grössere Firmenübernahmen mache, um das Wachstum voranzutreiben. Als mögliche Übernahmeziele nennt er Ferrero oder das Medizinalnahrungsgeschäft des französischen Rivalen Danone. Das Anlageurteil lautet wie bis anhin "Neutral".

Nicht ganz so schwarz wie bei der UBS malt man bei Kepler Cheuvreux. Die Dividende decke sich mit seinen Erwartungen, so der Chefanalyst. Ausserdem sei die Barmittelgenerierung im letzten Jahr solide gewesen. Die mit "Hold" und einem Kursziel von 63 Franken eingestufte Nestlé-Aktie bleibe trotz stolzer Bewertung eine Dividendenperle.