Ein adrett gekleideter Banker oder Versicherungsangestellter mit Krawatte - das ist je länger je mehr ein Auslaufmodell. In Abteilungen, die nicht ständig öffentliche Auftritte oder Kundenkontakte bedingen, wird immer mehr "oben ohne", gepaart mit offenem oberstem Hemdenknopf, gearbeitet.

Der Hang zum legeren Office-Look hinterlässt deutliche Spuren bei den Verkaufszahlen von Krawatten in der Schweiz. "Wir stellen einen deutlichen Rückgang fest", sagte Schild-CEO Thomas Herbert anlässlich der Halbjahreszahlen zu cash.

Auch andere Krawattenanbieter wie Fabric Frontline, einstiges Imperium des Zürcher Seidenkönigs Andy Stutz, spüren die abflauende Nachfrage. "Dieses Jahr fiel die Nachfrage erneut geringer aus als im Vorjahr", hiess es auf Anfrage von cash.

Rückgang von 40 Prozent

Bereits 2011 hatte Schild-CEO Herbert davon gesprochen, innerhalb von nur vier Jahren 30 Prozent weniger Krawatten verkauft zu haben. Eine negative Entwicklung, die sich seither deutlich verschärft hat. Dies belegen Zahlen des Luzerner Marktforschungsinstituts GfK, die rund 50 Prozent des Schweizer Modemarkts abdecken: In den letzten zwei Jahren sind die Krawattenverkäufe um weitere 20 Prozent gefallen. Im ersten Halbjahr 2013 wurde landesweit gerade noch 7950 Krawatten verkauft. 2008 hingegen hatte diese Zahl noch bei gegen 13'000 gelegen.

Die Zahlen zeigen: Der formale Business-Look hingegen ist ausgerechnet während der Finanzkrise ziemlich aufgeweicht worden. Das bestätigen zahlreiche Persönlichkeiten aus der Finanzindustrie, die aber zu diesem Thema nicht namentlich erwähnt werden möchten.

"Sogar bei Privatbanken, die ja sonst einer der erzkonservativsten Vertreter der Bankenbranche sind, ist man in dieser Hinsicht deutlich lockerer geworden als noch vor zwei Jahren", sagt ein Manager eines Zürcher Traditionsinstituts im Gespräch mit cash. "Heute wird die Krawatte ausgezogen, sobald ein Kundenbesuch beendet ist." Diesen Trend bestätigt auch Stylist und Modeberater Clifford Lilley: "Es ist akzeptabel geworden, dass der Mann heute Business Casual ohne Krawatte trägt".

Gefragt sind Schals und Poschettli

Heute setzen Männer auf andere modische Accessoires. Hoch im Trend stehen neben Schals auch die so genannten "Poschettli" - diese meist farbigen Einstecktücher, die in die Brusttasche des Sakkos gesteckt werden. Zahlen, die diese Entwicklung untermauern, stehen nicht zur Verfügung. Schweizer Modehäuser bestätigen diesen Trend jedoch."Diese Artikel legen von Jahr zu Jahr zu", sagt Schild-CEO Herbert.

Der langjährige NZZ-Stilpapst Jeroen van Rooijen überrascht das schleichende Wegserbeln der Krawatte nicht. "Der Schlips steht nicht mehr so absolut für Seriosität wie einst. Er ist leider oft nur mehr noch eine Konvention und wird ohne Begeisterung getragen," schrieb er einst in seiner wöchentlichen Kolumne.

Clifford Lilley hingegen bedauert die jüngste Entwicklung. Er ist überzeugt, dass die Krawatte "irgendwann" wieder ein Revival erfahren wird - alleine schon aus einem Grund. "Ein Mann, der Stil hat, setzt noch immer auf die Krawatte."