Novartis machte an der Börse in den letzten Quartalen eine schlechte Figur. Während die Gesundheitsindustrie bei Investoren in den Fokus rückte, verlor der Titel deutlich an Wert – seit Anfang 2020 mehr als sieben Prozent (per 21.  Juni).

Selbst mit Dividende kommt der Novartis-Aktionär in dieser Zeit auf keine positive Rendite. Vergleichbare Papiere machten ihren Eignern deutlich mehr Freude: Der Genussschein von Roche etwa legte seit Anfang 2020 um 10  Prozent zu, mit Dividende sogar um 16,5  Prozent.

Dass es kein Branchenproblem ist, zeigt der Index-Vergleich. Der MSCI World All Country Pharma Index kommt seit Anfang 2020 auf einen Total Return von 8,4 Prozent. Da der Performanceunterschied zu gross wurde, setzten einige Investoren 2020 darauf, dass Novartis diesen Unterschied aufholen würde.

"Der Trade hat nicht stattgefunden. Dieses Jahr scheint es wieder genauso zu sein. Das ist schon sehr auffällig – hat aber auch seine fundamentalen Gründe", sagt Stefan Schneider, Pharma-Analyst bei Vontobel. Novartis empfiehlt er zu halten, bei den Roche-Genussscheinen rät er zum Kauf.

Die Probleme bei Novartis sind zu einem guten Teil hausgemacht. Jede Menge Medikamente verlieren den Patentschutz. Das gehört zum Pharma-Business dazu. Hier gilt es, rechtzeitig gegenzusteuern und in die Produktpipeline zu investieren. Doch genau das hat Novartis versäumt.

Dass die eigene Pipeline zu wenig Potenzial hat, um die kommenden Patentabläufe zu kompensieren, bemängelte Vontobel schon 2015. "Wir wussten schon damals, dass es für Novartis ab 2020 schwierig wird. Aber unter dem damaligen CEO wurden die Probleme nie angegangen", sagt Schneider. Vas Narasimhan, seit 2018 Novartis-CEO, hat das Einzige gemacht, was man angesichts der langwierigen Produktentwicklung im Pharmabereich noch machen kann, und zugekauft.

"Vas Narasimhan ist das Problem mit der richtigen Strategie angegangen und hat fünf grosse Deals gemacht", sagt Schneider. Produkte, die schon am Markt waren oder in einer späten Phase der Entwicklung oder der Zulassung, wurden akquiriert. Das kostet zwar viel Geld, verbessert aber die Chancen, die Patentlücken rasch zu schliessen. Bisher hat sich diese sehr teure Strategie jedoch noch nicht gerechnet.

"Bei vier der fünf Zukäufe gibt es Probleme, da hat sich der Wert seit dem Kauf sogar reduziert", sagt Schneider. Teils überschätzte sich Novartis, teils war es Pech. Der Cholesterinsenker Leqvio bekam von der US-Zulassungsbehörde FDA kein grünes Licht, was die Zulassung bis zu einem Jahr verzögern kann. Zudem verschiebt sich eine wichtige Studie, die fürs Potenzial von Leqvio entscheidend sein wird, immer wieder nach hinten. Bei Lutathera kommen die Umsätze nach einem guten Start seit Ende 2019 in den USA nicht voran.

Das von einer japanischen Firma gekaufte zugelassene Medikament Xiidra gegen trockene Augen wollte Novartis gross machen. "Obwohl Novartis viel Kompetenz in Augenheilkunde hat, kam man hier noch keinen Millimeter weiter. Man hat die Chancen offenbar total falsch eingeschätzt", sagt der Analyst. Das Produkt werde von Novartis kaum noch erwähnt.

Bei der Genthearpie Zolgensma wurden den Zulassungsbehörden gefälschte Daten eingereicht. Dies geschah noch vor der Übernahme durch Novartis. Man muss sogar in die präklinische Phase zurück. Die Basler wurden zwar Opfer eines Betrugs, hätten aber womöglich auch im Datenraum Ungereimtheiten entdecken können. Inzwischen hat Roche ein Konkurrenzprodukt auf den Markt gebracht.

Dieser Artikel erschien zuerst im Onlineangebot der "Bilanz" unter dem Titel: "Warum die Börse Novartis nicht mag".

Erich Gerbl
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