Die Vorschusslorbeeren waren groß, als Credit Suisse Tidjane Thiam vor knapp fünf Jahren zu ihrem Chef ernannte. Mit einem Schlag war die zweitgrößte Schweizer Bank 3,5 Milliarden Franken mehr wert, nur weil der Ivorer den ungeliebten Brady Dougan an der Spitze ablöste.

Da war plötzlich einer, der sich bei den Mitarbeitern blicken ließ, Hände schüttelte, Scherze machte und private Handy-Fotos herumzeigte. Der großgewachsene Thiam umschmeichelte die Schweizer: Wenn er in Zürich zu Fuß unterwegs sei, fielen ihm die vielen glücklichen Menschen und die gut funktionierende Infrastruktur auf. Zudem sprach der Absolvent einer französischen Elitehochschule die Schweizer Landessprachen Französisch und Deutsch, während Dougan auch nach vielen Jahren am Zürcher Paradeplatz stets auf Englisch parliert hatte.

Doch der Zauber des Afrikaners war bald verflogen: Als der 57-jährige Thiam unter dem Eindruck einer Beschattungsaffäre am Freitag seinen Rücktritt ankündigte, war von einer "Kultur der Angst und des Misstrauens" die Rede, die sich in der Bank breit gemacht hatte. Thiam umgab sich mit wenigen Vertrauten, die den Führungsstil prägten. Thiam engster Mitarbeiter war bereits über die Affäre um die heimliche Überwachung des zur Konkurrenz gewechselten Star-Bankers Iqbal Khan gestolpert. Die Einschläge kamen näher, auch wenn der CS-Chef bis zuletzt beteuerte, er habe nichts von dem Detektiv-Einsatz gewusst.

Doch das schreckte die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma erst recht auf. Sie nahm Insidern zufolge eine Untersuchung auf, ob "Kontrollmängel" zu der Spitzel-Aktion führten. Will sagen: Wenn eine solche Aktion wirklich am Bankchef vorbei laufe, habe er womöglich seinen Laden nicht mehr im Griff. Oder: Die Führung der Bank führe ein Eigenleben, der Verwaltungsrat um Urs Rohner lasse ihr zu sehr freie Hand.

Ein Schuldiger audsgemacht

Den für das Tagesgeschäft verantwortlichen Pierre-Olivier Bouee hatte die Bank zunächst als Schuldigen für die Affäre ausgemacht. Er wollte in Erfahrung bringen, ob Khan CS-Banker mit zu seinem neuen Arbeitgeber UBS mitnehmen wollte. Bouee wurde gefeuert, nachdem bekannt geworden war, dass auch der ehemalige Personalchef Peter Goerke beschattet worden war, ein langjähriger Wegbegleiter Thiams. Auch Bouee wurde dem engsten Kreis um den Bankchef zugerechnet. Immer mehr bekam die Affäre um Khan eine persönliche Note: Dieser habe ein Haus neben dem von Thiam gekauft und sei mit ihm über ein Bauprojekt auf seinem Grundstück in Streit geraten, wie ein Insider verriet.

Am Freitag räumte Thiam erstmals Fehler im Umgang mit der Affäre ein: "Zweifellos hat dies der Credit Suisse geschadet und zu Verunsicherung und Leid geführt." Mit seinem Rücktritt ist auch Verwaltungsratschef Rohner, der Thiam 2015 vom britischen Versicherer Prudential losgeeist hatte, beschädigt. Er hatte sich lange hinter seinen Spitzenmanager gestellt, ließ den Machtkampf aber schließlich eskalieren, in dem sich zahlreiche Großaktionäre auf die Seite Thiams stellten.

Der Ivorer ist ein Stehaufmännchen. Bei Prudential musste er zum Start erst einmal eine Schlappe hinnehmen, als der geplante Zusammenschluss mit dem Rivalen AIA am Widerstand der Aktionäre scheiterte. Doch dann trieb er die Expansion in der Boomregion Asien-Pazifik voran und sorgte dafür, dass sich der Börsenwert verdreifachte. In seiner Karriere nahm Thiam immer wieder Umwege. Nach Jahren als McKinsey-Berater kehrte er in seine afrikanische Heimat zurückgekehrt und brachte es an der Elfenbeinküste bis zum Minister für Planung und Entwicklung. 2002 kehrte er in die Unternehmenswelt zurück und heuerte beim Versicherer Aviva an. Der Vater zweier erwachsener Söhne ist Mitglied der französischen Ehrenlegion. 

(Reuters)