Für einen guten Start in den Tag ist er für viele unverzichtbar: Kaffee. Was viele nicht wissen: Nach Brasilien ist Vietnam der zweitgrösste Exporteur der ursprünglich aus Afrika stammenden Bohnen. Die beiden Top-Anbauländer bauen dank neuer Technologien ihre Position weiter aus und setzen damit die Konkurrenz in Kolumbien, Mittelamerika und Afrika unter Druck.

Weltweit sind die Kaffeepreise in den vergangenen Monaten eingebrochen und bewegen sich auf dem niedrigsten Stand seit 13 Jahren. Der Preiskampf hat zu einer massiven Marktbereinigung geführt, bei der sich nach Einschätzung von Branchenexperten nur die produktivsten Anbauer durchsetzen dürften.

Riesige Erntemaschinen

Auf der Kaffeefarm von Julio Rinco im brasilianischen Bundesstaat Sao Paulo fährt eine riesige Erntemaschine durch die Felder. Sie verschlingt quasi die Kaffeebäume, schüttelt die Bohnen ab, sammelt diese auf und gibt die Pflanze danach wieder frei. Dank der automatischen Erntemaschine konnte Rinco die Produktionskosten auf ein Niveau senken, bei dem Anbauer, die auf die traditionelle Ernte per Hand setzen, nicht mithalten können.

Viele Produzenten sind deshalb nicht mehr in der Lage, Geld mit den Kaffeebohnen zu verdienen, die sie schon seit Generationen anbauen. Während einige sich auf andere Produkte wie Avocados konzentrieren, geben andere ganz auf.

"Brasilien und Vietnam verzeichneten konstante Zuwächse bei der Produktion, während andere Länder nicht zulegen konnten", konstatiert Jeffrey Sachs vom Zentrum für nachhaltige Entwicklung der Columbia Universität in New York. Dazu hätten auch Fortschritte bei der Züchtung, der Bewässerungstechnik und Erntemaschinen beigetragen. In Kolumbien und Mittelamerika wird Kaffee typischerweise in hügeligen Gebieten angebaut, wo der Einsatz von Erntemaschinen schwieriger ist und das traditionelle Pflücken per Hand zu relativ hohen Produktionskosten führt. In Afrika wird der Kaffeemarkt von kleinen Unternehmen dominiert, denen oft das Kapital für die Anschaffung neuer Maschinen fehlt.

«Leute wollen keinen Kaffee mehr pflücken»

Kaffeebauer Rinco aus Brasilien musste für seine Erntemaschine rund 155'600 Dollar auf den Tisch legen. Er bezahlt mit Kaffee, rund 400 Säcke werden dafür über die nächsten vier Jahre fällig. Diese Art von Tauschhandel ist in der brasilianischen Landwirtschaft weit verbreitet. Eine Erntemaschine ersetzt in Brasilien Dutzende Feldarbeiter.

Trotz der hohen Kosten für die Maschine und die Treibstoffrechnungen lassen sich die Erntekosten um 40 bis 60 Prozent reduzieren. "Abgesehen von den niedrigeren Kosten hat das auch mein Leben weniger kompliziert gemacht", sagt Rinco. Er müsse nun nicht mehr jedes Jahr neue geeignete Pflücker für die Ernte auf seiner Plantage in Sao Joao da Boa Vista suchen. "Die Leute wollen keinen Kaffee mehr pflücken, sie gehen in die Stadt, um etwas anderes zu machen."

Brasilien und Vietnam produzieren mittlerweile mehr als die Hälfte des weltweiten Kaffees - vor 20 Jahren waren es noch weniger als ein Drittel. Und dieser Anteil dürfte nach Schätzungen des US-Landwirtschaftsministeriums noch weiter steigen. Alleine auf Brasilien entfällt mehr als ein Drittel der weltweiten Produktion. Im vergangenen Jahr meldete das südamerikanische Land eine Rekordernte von 62 Millionen Säcken Kaffee und dürfte auch 2020 einen neuen Rekord einfahren - und das obwohl die Kaffee-Anbaufläche seit sechs Jahren rückläufig ist. Auch Vietnam stellt regelmässig Produktionsrekorde auf. In Kolumbien war das dagegen zuletzt in den frühen 1990er Jahren der Fall, in Guatemala vor fast zwei Jahrzehnten.

Künstliche Intelligenz als Helfer

Die durchschnittliche Kaffeeernte in Brasilien ist im vergangenen Jahrzehnt um mehr als 40 Prozent auf rund 1,5 Tonnen pro Hektar gestiegen, wie Daten der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO der Vereinten Nationen zeigen. Auch in Vietnam haben die Erträge vom bereits hohen Niveau stark zugelegt um rund 18 Prozent auf 2,5 Tonnen pro Hektar. Dagegen bleibt Kolumbien mit Erträgen von eine Tonne pro Hektar deutlich zurück, während es in Mittelamerika sogar einen Rückgang von rund drei Prozent auf magere 0,6 Tonnen pro Hektar gab.

Der Geschäftsmann Alexandre Gobbi und zwei Partner stiegen vor vier Jahren ins Kaffeegeschäft in Brasilien ein und nutzten dabei die neueste Technik. Seine Plantage verfügt über ein Bewässerungssystem im Boden, das mit künstlicher Intelligenz arbeitet und als das fortschrittlichste der Welt gilt.

"Es macht fast alles von selbst. Es liest die Luftfeuchtigkeit ab und sagt mir, wann ich wässern und düngen soll und wie viel", sagt Gobbi. Dank dieses Systems und anderem Equipment wie Erntemaschinen habe er die durchschnittlichen Erträge auf rund 60 Säcke Kaffee pro Hektar verdoppeln können und mache selbst bei den gegenwärtig niedrigen Preisen Gewinn.

Kaffeeschwemme aus Vietnam

Der weltweite Kaffeemarkt wird von den beiden Sorten Arabica und Robusta dominiert. Letzterer wird vor allem aus Vietnam exportiert. Ein Lager des vietnamesischen Kaffeeexporteurs Simexco in der Nähe von Ho-Chi-Minh-Stadt illustriert das Ausmass der Kaffee-Operation des asiatischen Landes. Dort wartet der Kaffee in mehreren Meter hohen Stapeln gelagert auf den Export nach Europa. Die Halle hat ausreichend Kapazität für die Lagerung von 20'000 Tonnen Kaffee während der Erntezeit.

"Zum Höhepunkt der Ernte ist es ein Luxus, wenn wir genügend Platz für einen Gang haben, um durch das Lagergebäude zu laufen", sagt Simexco-Manager Thai Anh Tuan. "Jeder noch so winzige Platz wird benötigt. Wir müssen zusätzliche Lager mieten, um extra Stauraum zu gewinnen." Auch die stetige Zunahme der vietnamesischen Kaffeeexporte in den vergangenen Jahren führt Tuan auf technische Innovationen etwa bei der Bewässerung, aber auch auf den Anbau mehrerer Pflanzen auf der gleichen Fläche zurück.

So wurden zwischen die Kaffeebäume in den vergangenen Jahren Durian, Jackfruit, Mangos oder auch Avocadobäume gepflanzt, um die Erträge zu maximieren. Durch den Mischanbau von Kaffee mit Durian habe er einen besseren Schutz der Pflanzen vor direktem Sonnenlicht und Schädlingen erreicht, sagt Ksor Tung, der eine zehn Hektar grosse Kaffeefarm betreibt. "Die Landwirte haben hier über fast ein Jahrzehnt mit dem Mischanbau experimentiert." Damit hätten sie ihr Einkommen pro Hektar verdreifachen können.

Krise in Kolumbien

In Kolumbien sieht die Zukunft dagegen düster aus. Trotz Regierungshilfen in zweistelliger Millionenhöhe wechseln viele Kaffeebauern angesichts niedriger Preise und hoher Kosten zu anderen Pflanzen oder geben ganz auf. Jose Eliecer Sierra hat über drei Jahrzehnte Kaffee angebaut - nun konzentriert sich der 53-jährige auf Hass Avocados und hält Rinder. "Avocados sind im Ausland stark gefragt", sagt Sierra. Es ist nicht das erste Mal, dass sich kolumbianische Kaffeebauern nach Alternativen umschauen. Viele Bauern wechselten verzweifelt - auch unter dem Druck bewaffneter Banden - zum deutlich lukrativeren Anbau von Koka, dem Ausgangsstoff für Kokain.

Anderen dürfte selbst der Umstieg auf andere Pflanzen nicht helfen. "Ich stecke bis zum Hals in Schulden", sagt Uriel Posada, der mehr als 30 Jahre als Maler in den USA arbeitete und davon träumte, zurück nach Kolumbien zu kommen, um Kaffee anzubauen. Nun steht sein Grundstück auf einem steilen Hügel mit 30.000 Kaffeebäumen zum Verkauf.

"Brasilien hat einen grossen Vorteil. Das Land ist flach und sie haben Maschinen. Ich muss einen Menschen bezahlen, der von Baum zu Baum, von Zweig zu Zweig geht, um die roten Kaffeekirschen zu pflücken." Avocados und Rinder seien zwar gute Alternativen, dafür seien aber Startkapital und eine Übergangszeit nötig, die viele nicht hätten. "Ich verkaufe, zahle meine Schulden zurück und gehe. Das ist das Ende meines kolumbianischen Traums."

(Reuters/cash)